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Jahrgang 2023, Ausgabe 1
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Zukunftsforschung und Literatur

  1. Dr. Manuel Mackasare RUB Ruhr-Universität Bochum, Germanistisches Institut

Zusammenfassung

Auf das prospektive Potential literarischer Texte ist gelegentlich hingewiesen worden. Beobachtungen solcher Art werfen die Frage nach dem Verhältnis der Zukunftsforschung zur Literatur auf. Dieses wird hier in grundlegender Weise ausgelotet: Zunächst wird eine Standortbestimmung innerhalb des zukunftswissenschaftlichen Feldes vorgenommen, um anschließend darzulegen, wo sich dort der Ort des literarischen Textes findet und wie auf diesen aus zukunftswissenschaftlicher Perspektive zugegriffen werden kann. Dabei folgen diese theoretischen Erörterungen dem Anspruch der Praxisnähe; sie sollen unaufwändig in praktische Arbeiten umzusetzen sein.

Abstract

Occasionally it has been referred to the prospective potential of fictional literature. Observations of such kind do raise the question about the relation of future studies and fictional literature. This is explored here in a fundamental way. First, a position is determined within the field of future studies, in order to then show how the fictional text can be accessed from such a perspective. Yet these theoretical explanations follow the requirement of practical relevance; they should be easy to implement in practical work.

Keywords

1. Einleitung

Als interdisziplinärer Verbund befasst sich das Research Department: Closed Carbon Cycle Economy (RD-CCCE) an der Ruhr-Universität Bochum mit gegenwärtigen Fragen der Energiewirtschaft. In diesem Rahmen ist das Projekt Energiewirtschaft und literarische Prognostik situiert. Es zielt darauf ab, das prospektive Potential literarischer Texte in Bezug auf eine künftige Energiewirtschaft auszuloten.

Voraussetzung dafür sind theoretische Standpunkte, die einerseits Zukunftswissen generell, andererseits das Verhältnis von Zukunftswissen und Literatur betreffen. Allerdings ist dieses Feld bislang nicht systematisch bestellt worden; es existiert kein System, das ein Aufsatteln qua Fußnote gestattet. Stattdessen sind eigenständige Positionen grundlegender Natur einzunehmen. Dies geschieht nachfolgend, gewissermaßen als Beiprodukt des Projekts und von dessen inhaltlichen Fragen losgelöst.

Geboten werden basale Thesen einschließlich Erläuterung, die zwar kein geschlossenes System etablieren, wohl aber stringent erläutern, weswegen literarische Texte für die Zukunftsforschung relevante Quellen darstellen und wie sie aus einer solchen Perspektive erschlossen werden können. Das Thema ist reich an Voraussetzungen und Prämissen; diese habe ich zu explizieren, ehe ich mein eigentliches Vorhaben realisiere.

Vier Themenbündel bieten eine grobe Strukturierung: II. Zukunftswissen und Zukunftswissenschaft: allgemeine Bemerkungen, III. zur Beschaffenheit wissenschaftlichen Zukunftswissens, IV. zum Gewinn von Zukunftswissen: Methodisches und Methodologisches, V. Zukunftswissen und Literatur.

Noch einige Bemerkungen vorab. Es lässt sich nicht leugnen, dass hier ein Literaturwissenschaftler am Werk ist, den sein Gegenstand zeitweise auf das Feld der Zukunftsforschung verschlug. Daraus resultieren Chancen, aber auch Friktionen.

Unter den Begriff der Zukunftsforschung fasse ich seriöse wissenschaftliche Ansätze in einem allgemeinen Sinne. Allerdings steht „Zukunftsforschung“ mittlerweile für Ansätze zur Schulbildung mit einem gewissen Konsens hinsichtlich grundsätzlicher Positionen und auch einer Terminologie, die mitunter vom herkömmlichen Gebrauch abweicht. Etwa lautet ein gravierendes Beispiel, dass Prognosen – herkömmlicherweise ein Überbegriff für mehrere Arten der Vorausschau – dort ausschließlich quantitative Verfahren bezeichnen. Ich befinde mich nun in der prekären Situation, mit dieser Zukunftsforschung im engeren Sinne in Dialog treten zu wollen, auch von ihren Verdiensten maßgeblich zu profitieren, ohne ihr aber im engeren Sinne anzugehören. Mir geht es um interdisziplinäre Vermittlung. Inhaltlichen Fragen wende ich mich argumentativ zu; terminologische Schwierigkeiten suche ich zu umgehen (indem ich etwa statt Prognose Vorausschau, Prospektion o.ä. schreibe). Der Text soll ohne spezifische disziplinäre Voraussetzungen verständlich sein.

Andersherum leitet mich hier ein Erkenntnisinteresse, das von dem originären der Literaturwissenschaft abweicht. Deren Theorien und Methoden interessieren nur, sofern sie der pragmatischen Zielsetzung dieser Ausführungen dienen. Somit spielt auch die Fülle allgemeinerer Überlegungen zum Verhältnis von Literatur und Zukunft, die immer wieder angestellt wurden und werden – nicht zuletzt von einschlägigen Autoren [1] –, allenfalls eine randständige Rolle. [2] Hier soll gezeigt werden, wie seitens der Zukunftsforschung ganz konkret auf literarische Texte zugegriffen werden kann; allerdings wissenschaftlich valide, wofür die philologische Hermeneutik zentral ist, wenn sie auch implizit bleibt. Im nächsten Schritt – der hier nicht mehr gegangen wird – könnte umfassender an literaturtheoretische Standpunkte angeschlossen werden.

Mit dem gleichen Grund wie in Bezug auf die Zukunftsforschung verzichte ich, wo immer möglich, auf literaturwissenschaftliches Fachvokabular. Erwähnt sei allerdings: Was hier im üblichen Sprachgebrauch eher unglücklich als „literarisches Werk“, „Literatur“ u.ä. bezeichnet wird, meint das schriftliche Kunstwerk.

2. Zukunftswissen und Zukunftswissenschaft

Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf den erkenntnistheoretischen Standpunkten des hypothetischen Realismus: Es wird die Existenz einer objektiven Realität angenommen, an die das Subjekt im evolutionsbiologischen Sinne angepasst ist. Objektives Sein und subjektives Erleben sind somit weder als absolut getrennt (vgl. z.B. radikaler Konstruktivismus) noch als deckungsgleich (vgl. z.B. Positivismus) anzunehmen. Alle Wirklichkeitserkenntnis bleibt hypothetisch (vgl. Lorenz 1997: 18–20; Vollmer 2002: 34; Vollmer 2003a: 16). Dementsprechend bezeichnet der Wissensbegriff bezeichnet hier – anders als der geläufige naiv-realistische – grundsätzlich hypothetisches Wissen (II.5).

2.1. Zukunftswissen ist für den Menschen von elementarer Bedeutung.

Bereits im Tierreich wird Kommendes antizipiert. Etwa bedeutet die Wahrnehmung von Gefahr eine Vorwegnahme drohender Versehrung, das Anlegen von Vorräten eine Vorwegnahme späteren Nahrungsbedarfs. Meistenteils handelt es sich um instinktive Verhaltensmuster.

Darüber hinaus verfügt der Homo sapiens über die Fähigkeit aktiver Planung, die maßgeblich sein Überleben sichert (vgl. Delanty 2020: 54f.). Dafür zentral ist Zukunftswissen. Dieses reicht von intuitiven bis hin zu reflektierten und metareflektierten Vorstellungen: Von der auf Erfahrungs- oder tradiertem Wissen basierten Annahme, es werde im Herbst zu verstärkten Regenfällen kommen, bis hin zur meteorologischen Berechnung der zu erwartenden herbstlichen Wetterverhältnisse und zur methodenkritischen Evaluation dieser Vermutungen. [3]

2.2. Zukunftswissen kann hohe Exaktheit aufweisen.

In Bezug auf Alltägliches ist dieser Satz evident: Dem Rehbock, der seine Futterstelle des Vortages aufsucht, bietet diese abermals Äsung; die Passantin findet ihre Stammbäckerei vor – beides mit hoher Wahrscheinlichkeit. Allerdings erweisen sich auch komplexe und – jedenfalls für viele Zeitgenossinnen – wenig intuitive Voraussagen als zutreffend, darunter der Wandel von Herrschafts- und allgemein Gesellschaftsverhältnissen, der Wechsel von Staatsformen, der Ausbruch von Kriegen und deren Ausgang.  [4] Dabei handelt es sich nicht um „Zufallstreffer“ (Erdmann 1963: 82).

2.3. Im Rahmen angewandter Wissenschaft ist die Generierung von Zukunftswissen gängige Praxis.

Insbesondere gesellschaftswissenschaftliche Arbeitsfelder liegen zum Teil im vorpolitischen Raum; das heißt, dort gewonnenes Wissen hat das Potential, politisch – also normativ – wirksam zu werden. Auch unmittelbare Zuarbeit findet statt, etwa in Form von Studien im Auftrag politischer Akteure. [5] Antizipationen des Künftigen kommt in diesen Zonen ein zentraler Stellenwert zu.

Augenfällige Beispiele sind Vorhersagen zu Entwicklungen der Demographie, der Finanzmärkte u.ä., also solche aus dem Bereich der Sozial- und Wirtschaftswissenschaft (vgl. Beckert 2018: 103–153; Lengwiler 2010: 33, 39; Nützenadel 2010: 54; Popp 2009). Aber auch in den Naturwissenschaften wird Zukunftswissen generiert, etwa in der Klimatologie.

Kurzum: Auch gegenwärtige Gesellschaften verfügen ganz selbstverständlich über ihre Pendants zu Auguren und Auspizien – zu vormodernen Mitteln der Zukunftsschau.

2.4. Übergreifende Fundierung und Normierung zukunftswissenschaftlicher Ansätze existieren nicht und stellen ein Desiderat dar.

International wie national existiert die Zukunftswissenschaft als akademische Disziplin nicht. Zwar gibt es Schulen, Lehrstühle, Studiengänge, die auf zukunftswissenschaftliche Fragestellungen fokussieren, aber keine übergreifenden, verbindlichen Standards als konstitutive Grundlage eines eigenständigen Fachbereichs (vgl. Gerhold et al. 2015: 10). [6] Darüber hinaus wird vielfach die Tragfähigkeit oder selbst generell die Wissenschaftlichkeit zukunftswissenschaftlicher Ansätze in Frage gestellt (vgl. Beckert 2018: 348–355, 378; Gransche 2015: 29, 45, 83; Grunwald 2009: 25; Lengwiler 2010: 35; Müller-Friemauth/Kühn (2017): 6f.). [7] Allerdings darf ein Gegenstand von großer praktischer Relevanz der Theoretisierung nicht entzogen werden, nur weil er sich in das akademische System nicht problemlos einzufügen scheint. Unbedingt wünschenswert ist ein Konsens hinsichtlich Normen und Standards, an denen sich sämtliche zukunftswissenschaftliche Ansätze orientieren.

2.5. Die Beschäftigung mit der Zukunft unter Einhaltung wissenschaftlicher Standards ist möglich.

Aufgrund der „Nicht-Faktizität […] ihres Gegenstandes“ scheint sich die Zukunftsforschung von anderen Wissenschaften zu unterscheiden (Neuhaus/Steinmüller 2015: 17). Allerdings verbirgt sich in dieser schein-evidenten Annahme ein Trugschluss. Es existieren keine Fakten im Sinne unumstößlicher Aussagen über reale Objekte; bezüglich solcher sind immer nur Hypothesen möglich. Sämtliche Disziplinen mit empirischen Referenzobjekten – also alle mit Ausnahme solcher, die ausschließlich mit idealen Objekten operieren: reine Logik und Mathematik [8] – gelangen stets nur zu Hypothesen (vgl. Demandt 2001: 78; Husserl 2009: 83f., 153; Lorenz 1997: 18–20; Vollmer 2002: 26–28). Eine auf ein künftiges Ereignis bezogene Hypothese unterscheidet sich aber nicht essentiell von einer auf ein vergangenes Ereignis oder auch auf die Gegenwart bezogenen. Nicht einmal „eherne“ Naturgesetze existieren, sondern immer nur hypothetische (vgl. Vollmer 2003b). Zwischen den Wissensständen der entsprechenden Disziplinen existiert lediglich ein gradueller, die Wahrscheinlichkeit betreffender Unterschied: Je mehr handgreifliches Material existiert, desto stärker lässt sich validieren, und auch die Chance der Falsifizierung steigt.

Demgegenüber ist der alltagssprachliche Gebrauch des Wissensbegriff irreführend und bedarf semantischer Präzisierung: In Bezug auf reale Objekte, auf eine Außenwelt kann niemals definitive, sondern immer nur hypothetische Kenntnis gemeint sein. Aus diesem Grunde ist es auch angängig, von Zukunftswissen und Zukunftswissenschaft zu sprechen.

Unter dieser Voraussetzung ist die Möglichkeit einer den gängigen wissenschaftlichen Standards genügenden Zukunftsforschung grundsätzlich einzuräumen. Im Kern zu fordern sind erkenntnistheoretische Fundierung, methodologische Reflexion und methodisches Vorgehen sowie Überprüfbarkeit der Ergebnisse (vgl. Cuhls 2015: 86–93; Gerhold/Schüll 2015: 83; Gerhold 2015: 111–120; Gransche 2015: 71, 92; Peperhove/Bernasconi 2015: 121–131; Schüll 2015a: 100–110; Weimert/Zweck 2015: 132–141; Weßner/Schüll 2015: 142–150). [9]

3. Zur Beschaffenheit wissenschaftlichen Zukunftswissens

Der Begriff des Zukunftswissens wird nachfolgend dahingehend verengt, dass er Kenntnisstände bezeichnet, die nicht nur auf Empirie basieren, sondern auch dem Anspruch der Passung in das System Wissenschaft unterliegen (II.5).

3.1. Zukunftswissen basiert auf Gegenwartswissen. Bekannte Größen bilden als Schlüsselfaktoren die Quellengrundlage der Prospektion.

Wissenschaftliches Zukunftswissen wird durch Schlüsse erzeugt, die auf gegenwärtigen Kenntnisständen beruhen (vgl. Bühler/Willer 2016b: 17; Erdmann 1963: 61; Grunwald 2009: 27; Hartmann/Vogel 2010: 7; Kosow/Gaßner 2008: 10, 21; Neuhaus/Steinmüller 2015: 18f.; Popp 2012: 18f.). [10] Es handelt sich um historisches Wissen, Wissen um Gesetzmäßigkeiten sowie um die Metareflexion von beidem (Erkenntnistheorie).

Historisches Wissen meint die Kenntnis historischer Sachverhalte einschließlich der jüngsten, die die historische Gegenwart konstituieren. Mittels verschiedener Operationen – etwa Analogiebildung und lineare Extrapolation – lässt sich auf dieser Grundlage Zukunftswissen gewinnen.

Unter Gesetzmäßigkeiten werden nicht nur historische im engeren Sinne verstanden, sondern auch solche, die diese bedingen. Etwa sind den historischen Grundfiguren – Linien und Kreisen – soziale (genaugenommen anthropologische) und naturale Gesetze vorgelagert.

3.2. Zukunftswissen ist Geschichtswissen wesensmäßig verwandt.

Der Geschichtsschreibung liegen Zeugnisse vergangener Sachverhalte zugrunde. Aus gegenwärtiger Perspektive werden diese nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit interpretiert und verknüpft. Das Vorgehen entspricht dabei ganz dem unter III.1 geschilderten; der Satz könnte ebenso lauten: Geschichtswissen basiert auf Gegenwartswissen. Resultat ist ein Narrativ, das idealerweise eine Annäherung an das Gewesene darstellt.

Analog dazu konstituiert sich Zukunftswissen als Narrativ mit dem Anspruch einer Annäherung an das Werdende. Diese muss im Vergleich zum Geschichtswissen vager und in geringerem Maße korrekt ausfallen, da ein Pendant zur historischen Quelle fehlt. Besonders eng verwandt ist das Zukunftswissen historiographischen Spekulationen über vorzeitliche Lebensverhältnisse, für die keine Zeugnisse mehr bürgen (vgl. Grunwald 2009: 34; Hölscher 2017: 12.).

Ein Zukunftsszenario trifft niemals exakt das Kommende und verfehlt es gerade in komplexeren Fällen mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit vollends. Das erste trifft allerdings auch ganz auf das historische Szenario zu; das zweite zwar weniger, aber nur graduell. Eine starke optische Täuschung entsteht dadurch, dass Zukunftsvorstellungen früher oder später unmittelbar mit der Lebensrealität konfrontiert werden. Ihre Treffsicherheit wird ‚erfahren‘: Offenkundig Unzutreffendes zeigt sich als solches. Vor diesem Effekt sind Geschichtsvorstellungen meistenteils gefeit: Sie werden diskursiv etabliert und, solange niemand Einspruch erhebt, schlichtweg geglaubt, für wahr befunden. Daher scheint es, als habe man im Bereich des Vergangenen festen Boden unter den Füßen, der im Bereich der Zukunft fehle. Letzteres ist korrekt, ersteres inkorrekt.

Allerdings unterscheidet das Merkmal der Fiktionalität im engeren Sinne zumindest potentiell Zukunfts- von Geschichtswissen (III.3).

3.3. Prospektionen sind fiktionale Narrative.

In ihrem Wesen sind Prospektionen Erzählungen ohne Anspruch, ein Pendant in der Realität zu besitzen (vgl. Becker 2018: 103-153; Bühler/Willer 2016b: 9; Fladvad/Hasenfratz 2020: 13f.; Gransche 2015: 20, 72; Neuhaus 2015: 17-30).

Der kursive Nachsatz ist für meine Definition von Fiktionalität essentiell. Damit gilt eigentliches [11] historisches Wissen grundsätzlich nicht als fiktional, ganz unabhängig von der Frage, wie weit es einem realen Pendant angenähert ist. Dagegen narrativ ist auch die historiographische Arbeit (vgl. Hölscher 2017: 23f.).

Narrativität kennzeichnet übrigens auch quantitative Verfahren: Eine rahmende Erzählung muss wenigstens implizit existieren, sonst bleibt nichts als eine Gleichung und Zahlen (IV.4).

3.4. Prospektionen besitzen die Form vager Schemata.

Für Geschichts- wie Zukunftswissen gilt: Je konkreter die Hypothese, in die der Informationsgehalt von Quellen bzw. Schlüsselfaktoren umgemünzt wird, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit ihres Zutreffens. Vage Hypothesen sind also potentiell korrekter.

Als historisches Exempel fungiere isoliert [12] der Eintrag aus dem Tagebuch des Londoner Staatssekretärs Samuel Pepys vom 20.12.1664: „Mit Bagwell nach Hause, wo ich sehr freundlich aufgenommen wurde. Die armen Leute richteten ein sehr passables Essen an, bei dem ich kräftig zulangte. Nach dem Essen schickte ich ihn unter einem Vorwand fort und machte mit ihr, als wir alleine waren, alles, was ich wollte.“ (Pepys: 2014)

Eine zurückhaltende Interpretation geht nicht über die Annahmen hinaus, dass A. Pepys gegenüber Bagwell eine übergeordnete Stellung besitzt, B. „er“ und „sie“ sich auf ein Paar beziehen, C. Pepys an Bagwells Partnerin sexuelle Handlungen vornimmt. Erzählen ließe sich dann: Pepys besuchte die Bagwells, ein ihm mutmaßlich gesellschaftlich untergeordnetes Paar. Nach dem Essen schickte er den Mann „unter einem Vorwand fort“, um an dessen Partnerin sexuelle Handlungen vorzunehmen.

Allerdings lassen sich zahlreiche Konkretisierungen hinzufügen, die nicht unwahrscheinlich erscheinen: a.1 Pepys ist Bagwells Vorgesetzter, a.2 Bagwell ist von Pepys abhängig, b.1 die Bagwells sind ein Ehepaar, b.2 die Ehe ist intakt, c.1 Pepys hat Geschlechtsverkehr mit Bagwells Frau, c.2 Bagwells Frau wünscht keine Intimitäten mit Pepys, d. Pepys hat die gesamte Situation berechnend herbeigeführt, e. Pepys täuscht eine geschäftliche Angelegenheit vor, um Bagwell aus dem Haus zu senden. Dann ließe sich folgendes Narrativ formulieren: Pepys hatte ein Auge auf die Frau seines Untergebenen Bagwell geworfen. Vielleicht unter Vortäuschung persönlicher Sympathie veranlasste er Bagwell, ihn zu einem vorweihnachtlichen Essen einzuladen. Bei dieser Gelegenheit hoffte er, dessen Frau näherzukommen. Nach dem Essen sandte er Bagwell in einer wichtigen geschäftlichen Angelegenheit fort, die ihm just eingefallen sei. Dann forderte er Frau Bagwell zum Geschlechtsverkehr auf. Ihre anfängliche Weigerung überwand er durch den Hinweis auf drohende Verelendung im Falle einer Entlassung ihres Mannes.

Einerseits erscheint in diesem konkreteren Schema das historische Geschehen plastischer und aufschlussreicher, etwa in Bezug auf Londoner Gesellschaftsstrukturen im 17. Jahrhundert. Andererseits geht jede der Vorannahmen über eine mittlere Wahrscheinlichkeit nicht hinaus; folglich ist es hochgradig unwahrscheinlich, dass alle korrekt sind. Es ist denkbar, dass das historiographische Narrativ elementar von der historischen Realität abweicht: Bagwell könnte mit seiner Schwester oder einer Dienerin zusammenwohnen; zwischen Pepys und der Frau könnte Einvernehmlichkeit herrschen; zwischen Bagwell und Pepys könnte Einvernehmlichkeit herrschen, der Vorwand hielte dann eine Fassade gesellschaftlicher Normen aufrecht; Bagwell könnte Pepys nicht untergeordnet sein. Demgegenüber läuft das vagere Schema weniger Gefahr, die Quelle ganz verkehrt aufzufassen. Auf Kosten der Plastizität erwirbt es eine höhere Wahrscheinlichkeit, eine korrekte Hypothese zu sein.

Allerdings ließe sich der historische Sachverhalt, der Pepys’ Tagebucheintrag zugrunde liegt, durch Hinzuziehung weiterer Kontexte und Quellen (zuvörderst des Textzusammenhangs bzw. des gesamten Tagebuchs) möglicherweise ziemlich konkret und zugleich valide erfassen. Und wo die Quellen schweigen, fällt Inkorrektheit nicht auf – sie ist dann gewissermaßen gleichgültig. [13]

Beide Umstände gelten nicht für Zukunftswissen: Hier ist möglichste Annäherung an die Realität nicht nur theoretische Forderung, sondern das Gelingen erweist sich auch potentiell in der Praxis. Und die verfügbaren Quellen gestatten niemals eine Konkretion wie im analogen historiographischen Fall. Unter Einhaltung wissenschaftlicher Standards (II.5, III.7) besitzt Zukunftswissen also zwingend die Form vager Schemata.

Der Begriff des Schemas trägt der grundlegenden Charakteristik von Sprache Rechnung. Jede semantische Einheit ist ein schematisches Gebilde: Sie umfasst fixe definitorische Grenzen, die aber von der Rezipientin frei ausgefüllt werden (vgl. Ingarden 1965: 373). Je konkreter ein Schema, desto mehr definitorische Grenzen umfasst es: Vage ist „Raubtier“, konkreter ist „Fuchs“, noch konkreter ist „Fähe im Winterbalg“ – und immer so fort. Die Leserin konkretisiert jede dieser semantischen Einheiten zu bildhaften Vorstellungen.

3.5. Prospektionen sind hypothetische Wahrscheinlichkeitsaussagen.

Im Kern weisen Prospektionen möglichen künftigen Ereignissen Wahrscheinlichkeitswerte zu. Dieser Vorgang ist hypothetischer Natur. Die basalste Form der wissenschaftlichen Prospektion besteht darin, wahrscheinliche Entwicklungen auf einem bestimmten Feld zu bestimmen. Eine exakte Vorwegnahme künftiger Ereignisse kann dabei – wie gesagt – niemals Anspruch sein (vgl. Demandt 2001: 79; Erdmann 1963: 62).

3.6. Über die Wahrscheinlichkeit künftiger Ereignisse können sinnvolle Aussagen getroffen werden.

Ein offenkundiges Problem beim Gewinn von Zukunftswissen liegt in der beschränkten Perspektive der Beobachterin: Dieser stellt sich leicht als wahrscheinlich dar, was nicht eintritt, und als unwahrscheinlich, was eintritt. Das Attentat vom 28. Juni 1914 war wohl nur für wenige Mitglieder der Schwarzen Hand absehbar. Die amerikanischen Sicherheitsbehörden konnten kaum mit den Anschlägen am 11. September 2001 rechnen; die Oberen der Al-Qaida dafür desto sicherer. Anderes Geschehen disruptiven Charakters erscheint womöglich keinem Menschen wahrscheinlich, insbesondere Naturereignisse: Vulkanausbrüche, Tsunamis, Bollidentreffer. Das Eintreten unerwarteter – und damit unwahrscheinlich erscheinender – Ereignisse ist hochgradig wahrscheinlich. Auf dieser Erfahrung – benannt als Zufall, Kontingenz, Wild Cards – basiert das stärkste Contrarium wider die Möglichkeit, Zukunft sinnvoll zu antizipieren (vgl. Demandt 2001: 38; Minx/Kollosche 2019: 162f.; Steinmüller 2009: 155; Taleb 2007: XVIII). [14]

Indes hält dieser Einwand nicht Stich. Schon der Verweis auf die elementare Rolle von Zukunftswissen für den Menschen widerlegt ihn in praxi: Künftiges lässt sich eben doch mit großem Erfolg antizipieren (II.1). In der Theorie ist zweierlei zu entgegnen: A. Selbst weitreichende unerwartete Ereignisse ändern kaum etwas an historischen Grundtendenzen, B. ein essentielles Fehlgehen von Vorhersagen aufgrund unerwarteter Ereignisse ist selten genug, um es in Kauf zu nehmen.

A. Der Beobachterin stellen sich Grundtendenzen dar, die nur von den allerwenigsten unerwarteten Ereignissen – und damit äußerst selten – elementar beeinflusst werden. Viel häufiger fügt das unerwartete Ereignis sich in die Grundtendenz ein (vgl. Demandt 2001: 148f.). Ein Waffengang der (europäischen) Großmächte wurde nach der Jahrhundertwende von vielen Zeitgenossen für wahrscheinlich gehalten, wenn auch die Ermordung Franz Ferdinands als Auslöser nicht absehbar war. Mit 9/11 konnte in diesem Ausmaß nicht gerechnet werden, wohl aber im Kleinen mit islamistischen Terroranschlägen sowie im Großen mit der Verschärfung des Konflikts zwischen Westen und islamischer Welt, wie ihn Huntington in Clash of Civilisations (1996) konturiert. Auch zunehmende westliche Interventionen im arabischen Raum zeichneten sich ab und selbst deren Scheitern.

Ernst Jünger sagt in Der Arbeiter (1932) gewissermaßen antizyklisch, nämlich in einer Atmosphäre des wachsenden Nationalismus, den Weltstaat voraus. Seither ist die Entwicklung in diese Richtung bedeutend vorangeschritten, und aus dieser Perspektive erscheint ein weltgeschichtlich so einschneidendes Ereignis wie die Herrschaft der Nationalsozialisten lediglich als retardierendes Moment. Nur die wenigsten unerwarteten Ereignisse besitzen genug Durchschlagskraft, um sämtliche epochalen Tendenzen zu nivellieren; so vielleicht – aus Perspektive der Untergegangenen – der spanische Einfall ins aztekische Großreich.

B. Demgemäß gilt: Unerwartete Ereignisse können bedeutende Abweichungen insbesondere konkreter Details, aber nur in den seltensten Fällen gänzliches Fehlgehen einer fundierten Vorausschau bedingen.

Kurzum: Die Wahrscheinlichkeit künftiger Ereignisse lässt sich im Wesentlichen mit adäquater Präzision einschätzen. Zwar mindert das Unerwartete und Unerwartbare die Trefferquote, stellt jedoch nicht das Unterfangen selbst in Frage.

3.7. Prospektionen sind überprüfbar im Sinne des wissenschaftlichen Standards.

Zukunftswissen lässt sich nicht nur theoretisch (II.5), sondern auch praktisch innerhalb der Wissenschaft auf gängige Weise prozessieren. Geltungsprüfungen haben sich auf das Zustandekommen der Hypothese zu beziehen, also auf die einem künftigen Ereignis zugemessene Wahrscheinlichkeit. In diesem Zusammenhang belanglos ist das Verhältnis von Prospektion und tatsächlicher Entwicklung, von „Realität und Nicht-Realität“ (Esposito 2007: 120; vgl. 69). Untersucht werden die Quellengrundlage sowie der Umgang damit (Material und Methode). Diesbezüglich gestellte Anforderungen – Transparenz, Logizität und Konsistenz, Validität – unterscheiden sich in keiner Weise vom gängigen wissenschaftlichen Standard (vgl. Grundwald 2013: 28-32; Grunwald 2015: 40-51; Kosow/Gaßner 2008: 28-31; Schüll/Gerhold 2015: 94–99; Steinmüller 2009: 152). Auf der anderen Seite ist es aus Perspektive einer Zukunftsforscherin möglich, diesen Ansprüchen zu genügen. Im Vergleich mit anderen Disziplinen gibt es graduelle Abstriche nur im Bereich der Validität; Zukunftswissen ist in verhältnismäßig geringem Maße validierbar.

4. Zum Gewinn vom Zukunftswissen: Methodisches und Methodologisches

4.1. Die Schlüsselfaktoren der Vorausschau sind Gegenstände anderer Disziplinen.

Schlüsselfaktoren, also gegenwärtig bekannte Größen, bilden die Quellengrundlage der Prospektion (III.1). Sie gehören grundsätzlich Gegenstandsbereichen fremder Disziplinen an. Insofern ist die Zukunftsforschung ihrem Wesen nach interdisziplinär (vgl. Dienel 2015: 71-81; Schüll 2015b: 61–70). Faktisch handelt es sich bei diesen bekannten Größen nicht zwingend um universitär gewonnene Kenntnisse; etwa kann für eine Prospektion im Bereich des Flugzeugbaus konkretes Ingenieurswissen einer spezifischen Herstellerfirma relevant sein.

Eine basale Aufgabe der Zukunftsforschung lautet grundsätzlich, die Schlüsselfaktoren seines Untersuchungsgegenstandes zu identifizieren, um sie dann – soweit möglich – als bekannte Größen im Rekurs auf entsprechendes fremddisziplinäres Wissen in Erfahrung zu bringen. Übrigens existieren neben tatsächlich auch potentiell bekannte Größen: Solche, die sich ermitteln ließen, die aber noch nicht ermittelt wurden. Stellt eine potentiell bekannte Größe einen Schlüsselfaktor dar, ist idealiter binnen der Referenzdisziplin eine Substudie durchzuführen.

Beispielsweise soll eine Prognose zur gesellschaftlichen Altersstruktur erstellt werden; als Schlüsselfaktor wird unter anderem die gegenwärtige Altersstruktur identifiziert; es handelt sich um eine bekannte Größe; ein Blick in aktuelle Erhebungen gibt Aufschluss darüber. Existierte entsprechendes Quellenmaterial nicht, ließe es sich im Rahmen einer soziologischen Studie generieren.

4.2. Zukunftswissen wird mittels der gleichen basalen Operationen gewonnen wie Geschichtswissen.

Wie historisches Wissen wird Zukunftswissen durch Interpretation bekannter Größen gewonnen: Von validen Kenntnissen wird auf Gegenstände im Bereich der eigenen Fragestellung geschlossen (III.2). Das Vorgehen im Einzelnen gleicht exakt dem der Historikerin (vgl. Demandt 2001: 73; Grunwald 2009: 31; Müller-Friemauth/Kühn 2017: 75). Nicht ausgeschlossen ist damit, dass die zukunftswissenschaftliche von der historischen Studie in ihrer gesamten methodischen Anlage wesentlich abweicht. [15]

4.3. Für die Generierung von Zukunftswissen spielt die Berücksichtigung der historischen Grundfiguren – Linie und Kreis – eine zentrale Rolle.

Einmaligkeit und Wiederholung sind einander durchdringende Grundfiguren alles Geschehens (vgl. Demandt 2001: 148, 153; Koselleck 2003: 19–26; Minx/Kollosche 2009: 164). Jedes Leben ist einmalig, aber der Kreislauf von Stirb und Werde konstituiert die Naturgeschichte, von der die Menschheitsgeschichte ein Unterkapitel darstellt. Der einmalige Lebensweg wiederum ist gepflastert von Gleichartigem, etwa der rhythmischen Hebung des Brustkorbs. Zugleich ist kein Atemzug mit einem anderen identisch. Die Beobachtung und Analyse dieser Metastrukturen ist die Aufgabe der Geschichtsphilosophie. [16] Hier gezeitigte Erkenntnisse – die von dogmatischen Setzungen unterschieden werden müssen [17] – sind für die Zukunftswissenschaft von elementarem Interesse (vgl. Koselleck 2003: 15, 212, 217–220).

4.4. Zukunftswissenschaft basiert grundsätzlich primär auf qualitativen Methoden, quantitative Methoden sind nachgeordnet.

Qualitative Methoden fußen auf Interpretationen historischen Wissens im weiten Sinne, quantitative Methoden auf mathematischen Operationen, insbesondere auf statistischer Extrapolation. Eine im Zusammenhang mit Zukunftswissen schon früh diskutierte Frage lautet, welcher Vorgehensweise der Vorzug zu geben sei. Gegenwärtig dominieren de facto sogenannte quantitative Ansätze die Praxis, obwohl sie weder dort noch in der Theorie überzeugen (vgl. Beckert 2018: 356–360; Bühler 2016a: 393; Esposito 2007: 72f.; Gransche 2015: 12f.; Hartmann/Vogel 2010: 8, 14; Hölscher 2016: 111f.; Kosow/Gaßner 2008: 25f.; Lengwiler 2010: 34–36, 46, 51; Nützenadel 2010: 68f., 72). [18]

Noch vor aller Methodenkritik ist die simple erkenntnistheoretische Tatsache festzustellen, dass jede auf reale Bezugsgrößen rekurrierende mathematische Operation qualitativ gerahmt ist. Rein quantitative Methoden, Zukunftswissen zu gewinnen, existieren nicht und können nicht existieren. Prognosen mit einem solchen Anspruch verzichten schlichtweg ganz oder großenteils auf Reflexion ihrer qualitativen Anteile.

Beispielsweise soll die Entwicklung einer nationalen Bevölkerungszahl prognostiziert werden, indem eine Gleichung erstellt wird, deren Schlüsselfaktoren die gegenwärtige Bevölkerungszahl sowie Geburts- und Sterberaten, Zu- und Abwandererzahlen eines bestimmten Zeitraums sind. Die simpelste Version würde schlichtweg von Ceteris-Paribus-Bedingungen ausgehen; also der mathematischen Operation die Prämisse voranstellen, dass die Rahmenbedingungen sich im betrachteten Zeitraum nicht wesentlichen verändern. Auch komplexere Modelle sind denkbar, die absehbare soziale und politische, selbst natürliche (etwa klimatische) Wandelerscheinungen miteinbeziehen. Qualitative Operationen wären in jedem Fall vorrangig und essentiell für das mathematische Modell. Freilich können diese unreflektiert und implizit in die Gleichung einfließen; diese wird dann besonders wenig überzeugend geraten. Mit dem simplen Faktum verbindet sich also eine Forderung: Die qualitativen Anteile prognostischer Operationen sind in jedem Falle zu benennen und zu reflektieren.

Andersherum resultiert aus dieser grundsätzlichen Bemerkung selbstverständlich keine Schmälerung des herausragenden Stellenwerts, den Zahlenmaterial und intelligente mathematische Prozessierung für den Gewinn von Zukunftswissen besitzen.

4.5. Zukunftswissenschaft ist grundsätzlich zuvörderst deskriptiv, normative Ansätze sind auf deskriptive Kenntnisse angewiesen.

Deskriptives Zukunftswissen bezieht sich wertneutral auf zu Erwartendes, normatives Zukunftswissen stellt Wünschenswertes vor und zeigt Wege dorthin auf. Die Differenz beider Ansätze wird vielfach betont (vgl. Bühler/Willer 2016b: 11, 13; Cuhls 2015; Flechtheim 1970: 22, 26, 31; Kosow/Gaßner 2008: 23f.; Schüll 2009; 225-229; Steinmüller 2015: 31-39; Uerz/Neuhaus 2015). Sie betrifft die Methodenreflexion sowie die Reflexion des eigenen Vorgehens im weiteren Sinne. Beispielsweise soll mittels einer deskriptiven Studie die Verbreitung von Krebs binnen der kommenden zehn Jahre ausgelotet werden; die Arbeit wird mit der Sammlung von Schlüsselfaktoren in der Gegenwart beginnen und diese in die Zukunft extrapolieren (Forecasting). Dagegen soll eine normative Studie Möglichkeiten aufzeigen, die Verbreitung von Krebs binnen der kommenden zehn Jahre einzudämmen; sie wird künftige Möglichkeiten dazu ins Auge fassen und, von Schlüsselfaktoren der Gegenwart ausgehend, Wege dorthin aufzeigen (Backcasting).

Allerdings bleibt der normative Ansatz ganz grundlegend auf deskriptives Zukunftswissen angewiesen. Schon dem Bestreben, eine bestimmte Vorstellung in Zukunft zu realisieren, liegt die implizite Annahme zugrunde, dass gegenläufige Tendenzen existieren und existieren werden und folglich zu überwinden sind. Wer Krebs eindämmen möchte, muss von dessen künftiger Verbreitung ausgehen; Backcasting setzt Forecasting voraus. Dies ist im Zusammenhang mit normativen Studien zu reflektieren.

Andersherum kann der deskriptive Ansatz auf Normatives verzichten. [19] Dass gerade zukunftswissenschaftliche Studien trotz deskriptivem Anspruch möglicherweise implizit interessegeleitet sind, ist ein davon unabhängiges Problem, das im Sinne guter wissenschaftlicher Praxis im Einzelfall zu reflektieren ist (vgl. Bühler 2016a: 393; Demandt 2001: 134; Hölscher 2016: 293; Schüll 2009: 228).

4.6. Kreativität, Phantasie und ähnliche Eigenschaften spielen beim Gewinn von Zukunftswissen eine herausragende Rolle.

Zentral ist Absehen vom vermeintlich Selbstverständlichen; sowohl von kollektiven Annahmen und Überzeugungen als auch von der eigenen unmittelbaren Lebenserfahrung, vom Alltag (vgl. Müller-Friemauth/Kühn 2017: 9f.; Willer 2010: 267). Voraussetzung dafür sind Vermögen, die man mit Begriffen wie Kreativität, Phantasie, Freigeistigkeit zu fassen sucht und die gegenwärtig eher mit der Kunst, weniger mit der Wissenschaft assoziiert werden. Rationalisiert man dieses Vorurteil, liegt sein Kern wohl darin, dass die genannten Eigenschaften an das Subjekt gebunden und nicht methodisierbar sind. Wissenschaft soll aber dem gegenwärtigen Verständnis nach objektiv und methodisch sein.

Indes gibt es hier keinen zwingenden und essentiellen Widerspruch, begreift man beide Forderungen recht: Objektivität kann nicht mehr bedeuten als intersubjektive Überprüfbarkeit von Feststellungen, Methodik nicht mehr als sachlogischer Umgang mit Forschungsgegenständen. Demgegenüber bestimmt – frei nach Bergson – schöpferische Intuition sowohl das Aufwerfen einer wissenschaftlichen Fragestellung als auch die Bildung von Thesen. [20] Eine so begriffene Wissenschaft bedarf keiner Öffnung oder Aufweichung, um die Befassung mit dem Zukünftigen zu integrieren (II.5, III.7).

Allerdings bringt Wissenschaft stets Bindung an recht strikte formale Erfordernisse nach sich; kühne Gedankenflüge haben allermeist binnen anderer Systeme stattzufinden.

4.7. Eine zentrale Fehlerquelle von Prospektionen liegt in einer verzerrten Beobachterperspektive.

Dogmatische Setzungen bedrohen wissenschaftliche Prospektionen fundamental (vgl. Gransche 2015: 75). Hier fehlt, anders als in der Historiographie, Quellenmaterial mit korrektivem Potential (das Ideologinnen immerhin verbiegen müssen, wodurch sie ruchbar werden). Gemeint sind zuvörderst ideologische Vorannahmen wie die, dass die Menschheit auf Klassenlosigkeit, Rassenkampf, auf Menschenrechte, Demokratie, Wohlstand zusteuere. Solche Zustände lassen sich freilich beliebig in die Zukunft projizieren.

Gemeint sind aber auch haltlose Verallgemeinerungen, insbesondere Schlüsse von Einzelphänomenen auf die Art, etwa die Vorstellung vom „Homo oeconomicus“ (vgl. Hartmann/Vogel 2010: 10, vgl. 17). Stärker als Ideologie und Ideologeme bleiben solche Fehlannahmen im Unbewussten, entziehen sich der Reflexion und bedrohen die Qualität der Prospektion. Ein exzellentes Beispiel bietet Talebs oft zitierter „Black Swan“. Dem Ausdruck zugrunde liegt die Entdeckung des Trauerschwans (Cygnus atratus): Bei der Erkundung Australiens sind Europäer erstmalig auf einen schwarzen Schwan gestoßen, alle bekannten Schwäne waren weiß. In diesem Sinne erhebt Taleb den „Black Swan“ zur Metapher für unvorhersehbare Ereignisse, die vormals Gültiges nivellieren und den humanen Wissenshorizont revolutionieren (vgl. Taleb 2007: XVIIf.).

Tatsächlich veranschaulicht diese Vorstellung aber viel besser einen Dogmatismus, der den Ausblick auf das Mögliche verstellt. Von einem schwarzen Schwan kann ernstlich nur jemand überrascht werden, der die völlig unbegründete Annahme hegt, sämtliche Schwäne seien weiß. Auch vom Standpunkt einer frühen Biologie aus – sobald man irgend anfängt, Lebewesen taxonomisch zu ordnen, was Voraussetzung ist, um den Trauerschwan überhaupt mit bekannten Arten in Verbindung zu setzen – kann es in Analogie zu zahllosen ähnlich gelagerten Beispielen nicht verwundern, Farbvarianten innerhalb einer Gattung vorzufinden. Ebensowenig erstaunlich erscheint es, auf einer unbekannten Landmasse unbekannte Lebewesen anzutreffen. Kurzum: Der Trauerschwan stellt lediglich eine neue Erscheinung im Rahmen des Erwartbaren dar. [21]

„Was denkbar ist, ist auch möglich“ – dieser Satz Wittgensteins sollte der Perspektive des Zukunftswissenschaftlers zugrunde liegen (vgl. Demandt 2001: 55f.). Er umfasst auch das mit, was allgemein als undenkbar bezeichnet wird. Alle Möglichkeiten sind zu erwägen und erst innerhalb der konkreten Prospektion anhand der Wahrscheinlichkeit einzuschränken (II.5).

5. Zukunftswissen und Literatur

5.1. Literarische Texte besitzen das Potential, künftige Entwicklungen mit hoher Exaktheit zu antizipieren.

Retrospektiv wird immer wieder eine erstaunliche Hellsichtigkeit diverser literarischer Texte in Bezug auf künftige Entwicklungen konstatiert (vgl. Bühler 2009: 271). Etwa Grautoffs 1906 (1905): Zwar verläuft der dort geschilderte Weltkrieg, wenngleich realistisch, keineswegs wie sein späteres historisches Pendant, [22] jedoch werden Kriegsfolgen geschildert, die der Entwicklung nach 1918 zum Teil um Jahrzehnte vorgreifen: Amerika, Russland und Japan rücken in Weltmachtstellung, die Kolonialherrschaften stehen in Frage. Begreift man Japan pars pro toto, nämlich stellvertretend für das Potential des Fernen Ostens, lassen sich Konturen der weltpolitischen Entwicklung bis in die Gegenwart hinein erkennen.

Neben solchen makroskopischen existieren auch bemerkenswerte mikroskopische Perspektiven. Erstmals in Heliopolis (1949) schildert Ernst Jünger den Phonophor, ein portables „Maschinchen“, das neben klassischer Telefonie der Orientierung, Positionsermittlung und Zeitmessung, als Ausweis und als Scheckbuch, zum Abrufen umfangreicher Datenbanken und zur Ausübung politischer Rechte dient (Jünger 2015b: 281, vgl. 280–283). Dies erschien Generationen von Jünger-Rezipienten, je mehr Zeit nach dem Erscheinen des Romans hinstrich, als desto treffsicherere Vorausschau auf geläufig gewordene technische Objekte; die technische Entwicklung näherte sich also der Fiktion an. Träte zum Konzept des Smartphones noch der Aspekt strikter Personalisierung und ersetzte es damit die Brieftasche und sämtliche Dokumente, wäre es nur angemessen, den entsprechenden Apparat „Phonophor“ zu taufen.

Solche Antizipationen gelingen nicht zufällig. Vielmehr tragen sie Züge wissenschaftlichen Zukunftswissens: Bekannte Größen dienen als Schlüsselfaktoren, Wahrscheinlichkeiten werden berücksichtigt (III.1 und .5). Vor allem sind sie im Bereich der im weiten Sinne utopischen Literatur zu finden, aber nicht auf diese beschränkt. [23] Die Qualität der Literatur als Interdiskurs zwischen verschiedenen Disziplinen oder auch Systemen im Allgemeinen gelangt hier zum Tragen (Link 2008: 122f.; vgl. Seitz 2010: 253; Horn 2009: 104). [24]

Es existieren bereits Projekte, die daraus praktischen Nutzen ziehen sollen. Die französischen Streitkräfte unterhalten ein Red Team, in dem Science Fiction-Autoren die Aufgabe haben, Szenarien möglicher Sicherheitsrisiken zu erstellen (Red Team 2022). Der Stoßrichtung nach ähnlich sind das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt FutureWork sowie das Projekt Future Life der Phantastischen Bibliothek Wetzlar, wo (auch) unter Rückgriff auf Science-Fiction-Literatur künftige „Arbeitswelten“ bzw. ganz allgemein die globale Entwicklung ausgelotet werden sollen (FutureWork 2022; Future Life 2022). [25] Einem anderen Ansatz, nämlich der „Hypothese“, dass „Krisen und Konflikte […] bereits Jahre vor ihrem gewaltvollen ‚Ausbruch‘ in der Literatur“ zum Ausdruck kommen, folgt das Projekt Cassandra im Auftrag des Bundesministeriums für Verteidigung (Projekt Cassandra 2022). [26]

5.2. Aus dem Kunstcharakter des literarischen Textes resultiert gegenüber wissenschaftlichen Arbeiten eine Steigerung der kreativen Potenz, die der prospektiven Potenz entscheidend zupass kommt.

Die Künstlerin hat vollkommen freie Hand. Ihr Schaffen ist nicht rechtfertigungsbedürftig. Gesetzt der Fall, Grautoff und Jünger hätten Weltkriegszenario bzw. technisches Objekt im Einklang mit zukunftswissenschaftlichen Standards konzipiert: Mindestens hätte dann der Apparat von Begründungen einen wesentlichen Aufwand bedeutet – also das Schaffen gehemmt –, möglicherweise auch die visionäre Kühnheit, die schöpferische Intuition beschnitten. Strikte Regulierung und ungebundenes Denken widersprechen einander. Der Kunst als Zone freien Schaffens steht in gesteigertem Maße jene kreative Kraft zur Verfügung, deren insbesondere alle Wissenschaft von der Zukunft bedarf (IV.6).

5.3. Aufgrund des Kunstcharakters des literarischen Textes ist dieser ungeeignet für den Gewinn unmittelbaren Zukunftswissens.

Die Zweckungebundenheit der Kunst bedingt, dass beim literarischen Text niemals von einem prospektiven Anspruch ausgegangen werden kann. Selbst, wo dieser in hohem Maße wahrscheinlich erscheint, ist er doch kaum von anderen im literarischen Werk realisierten Zwecken zu trennen (insbesondere nicht vom Selbstzweck; dem Anspruch des Kunstwerks, ‚in sich‘ stimmig, kohärent [27] zu sein). Im literarischen Text kann also prospektiv erscheinen, was nicht prospektiv ist, und was prospektiv ist, kann von weiteren Motiven beeinflusst sein.

Folglich lassen sich prospektive Dimensionen literarischer Texte nicht eindeutig identifizieren. Zukunftswissen im literarischen Text ist doppelt fiktional: Sowohl im Sinne der generellen Qualität des Zukunftswissens (III.3) als auch im Sinne der generellen Qualität literarischer Kunst. Weil sich aus Perspektive der Rezipientin beide Dimensionen nicht trennen lassen, stellt der literarische Text keine geeignete Quelle für den Gewinn unmittelbaren Zukunftswissens dar. 1949 hätte es wenig Sinn ergeben, gerade im Phonophor die Präfiguration eines künftigen technischen Objekts zu sehen – zumindest, solange ein guter Grund dafür fehlte.

5.4. Literarischen Texten lassen sich vage Schemata entnehmen, die zukunftswissenschaftlich operabel sind.

Das vage Schema ist die Form der zukunftswissenschaftlichen Hypothese (III.4). Aus zukunftswissenschaftlicher Perspektive stellt sich der literarische Text als zu konkretes Schema dar: Hier erscheint jedes seiner Elemente, das einer anderen Logik als der prospektiven folgt, als Störfaktor. Potentiell die gesamte Eigenlogik des Textes erweist sich damit als problematisch.

Der Versuch allerdings, den Text zu sezieren und seine einzelnen Elemente ihrer logischen Orientierung gemäß zu sortieren, wäre allzu aufwändig und außerdem mutmaßlich auf der theoretischen Ebene zu disqualifizieren. [28] Diesem induktiven ist ein deduktiver Ansatz vorzuziehen: Relevante Textelemente werden A. identifiziert und B. in vage Schemata überführt.

A. Explizit wird hier nicht textinterpretatorisch vorgegangen, sondern eine Hypothese der Art aufgestellt: „Textelement X besitzt prospektive Potenz.“ Dabei bedingen textexterne Faktoren die Auswahl des Textelements. Zum einen sind hier grobe Raster denkbar, indem etwa nach dem technischen und gesellschaftlichen Szenario eines utopischen Textes gefragt wird, zum anderen beliebige Feineinstellungen. Etwa der Phonophor erscheint aus zukunftswissenschaftlicher Perspektive dem gegenwärtigen Betrachter möglicherweise deshalb interessant, weil darin das Smartphone präfiguriert erscheint, das 1949 noch weit jenseits des technischen Realisierbaren lag. Entscheidend ist: Die Begründung einer solchen Auswahl liegt immer jenseits des Textes.

B. Die Überführung eines Textelements in ein vages Schema geschieht mittels Abstraktion: Aus Perspektive des zukunftswissenschaftlichen Interesses Akzidentielles wird ausgeschieden. Um was es sich dabei handelt, ist fallspezifisch zu beurteilen, mit hoher Wahrscheinlichkeit aber Handlungsbezogenes, oft auch Namen, Orte, Zeitangaben, Details zu Aussehen und Funktionsweise. [29] Oben ist schon ein mehr vages Schema des Phonophors gegeben (V.1); auf Details wie die goldene Farbe des speziellen Apparates wurde verzichtet. Nicht angängig ist es indes, das vage Schema durch Fortlassung und Überinterpretation so zu modellieren, dass Erwünschtes erscheint. Oben dient der Phonophor als Beispiel, Verknappung im Sinne der Evidenz erscheint statthaft; handelte es sich aber um den Gegenstand einer zukunftswissenschaftlichen Studie, müsste als Teil seines vagen Schemas erwähnt werden, dass er auch als Rangabzeichen fungiert und Informationen anscheinend rein auditiv, nicht visuell überträgt. Grundsätzlich dürfen solchermaßen gewonnene vage Schemata ihre Passung im Referenztext nicht verlieren; sie dürfen nichts schlichtweg anderes bezeichnen als ihre Referenzschemata. Kurz gesagt: Das Verhältnis des vagen Schemas zum Ausgangsschema ist dasjenige der Gattung zur Art.

Erst vage Schemata, nicht aber unprozessierte Textelemente sind im Sinne der Thesen V.5 und .6 zukunftswissenschaftlich nutzbar.

5.5. Literarische Texte können der zukunftswissenschaftlichen Reflexion dienen.

An literarische Texte, denen retrospektiv präzise Antizipation späterer Entwicklungen zu attestieren ist (V.1), lässt sich die aus zukunftswissenschaftlicher Perspektive zentrale Frage richten, wie dies zustande kam.

Zunächst sind Reichweite und Grenzen des prospektiven Potentials festzustellen. Dies geschieht, indem das vage Schema entsprechender Textelemente (V.4) mit vermeintlichen realhistorischen Analogien abgeglichen wird.

Was dabei als interessant hervorsticht – mitunter auch Abweichendes, etwa frappierende Fehlschlüsse –, wird auf seine Provenienz hin untersucht. Es handelt sich historische Kontextualisierung; gefragt wird nach historischem Gegenwartswissen, das der Autor seiner vermeintlichen Vorausschau zugrunde legte, insbesondere nach Schlüsselfaktoren (III.1). Gemeint sind nicht nur konkrete Sachkenntnisse, sondern auch theoretische und philosophische Standpunkte. Das Konzept des Phonophors beruht weniger auf Einsichten im Bereich der Telefonie als auf technik- und geschichtsphilosophischen Positionen, von denen aus zunehmende technische Vernetzung im Zeichen des Machtinteresses wahrscheinlich erschien. [30]

5.6. Literarische Texte können der zukunftswissenschaftlichen Thesenbildung dienen.

Ein vages Schema (V.4) lässt sich auf die Tauglichkeit hin untersuchen, eine Wahrscheinlichkeitsaussage im Sinne einer prospektiven Hypothese zu konstituieren. Dazu sind dessen Einzelelemente gemäß III.7 auf ihre Wahrscheinlichkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls zu modifizieren oder auch zu verwerfen. Solchermaßen gewonnene Hypothesen, die sich als valide erweisen, können unmittelbar in zukunftswissenschaftliche Projekte einfließen; etwa als Aspekte oder selbst ganze Pfade von Zukunftsszenarien.

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Weßner, Andreas/Schüll, Elmar (2015): Code of Conduct – Wissenschaftliche Integrität, in: Lars Gerhold et al. (Hrsg.): Standards und Gütekriterien der Zukunftsforschung. Ein Handbuch für Wissenschaft und Praxis, Wiesbaden, S. 142–150.

Willer, Stephan (2010): Nachhaltige Zukunft: Kommende Generationen und ihr kulturelles Erbe, in: Heinrich Hartmann/Jakob Vogel (Hrsg.): Zukunftswissen. Prognosen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft seit 1900, Frankfurt a. M., S. 267–283.

Zweck, Axel/Eggert, Michael (2019): Der lange Weg zur etablierten Disziplin. Ergebnisse einer Erhebung zu Stand und Perspektiven der Zukunftsforschung im deutschsprachigen Raum, in: Zeitschrift für Zukunftsforschung 2019, S. 1–19. http://www.zeitschrift-zukunftsforschung.de/ausgaben/2019/1/4853/derlangewegzuretabliertendisziplin.pdf (zuletzt abgerufen am 13.04.2022).

Dr. Manuel Mackasare: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neugermanistik und Didaktik der Literatur an der Ruhr-Universität Bochum. Forschungsschwerpunkte: Literatur und Prospektion, Literaturtheorie im Kontext von Wissenschafts- und Erkenntnistheorie, Bildungs- und Fachgeschichte im 19./20. Jahrhundert.

Ruhr-Universität Bochum, Germanistisches Institut, Raum GB 4/144. Tel.-Nr.: 0234/3219172. manuel.mackasare@rub.de



[1] Ich verwende aus evidenten sprachbezogenen Gründen je ein Genus pro entsprechendem Substantiv; dieses deckt seine Signifikate, die sich aus dem Kontext ergeben, unabhängig von ihrem Geschlecht ab.

[2] In diesem Zusammenhang lassen sich etwa Dath (2019), Bühler/Willer (2016a), Dedman (2015), Horn (2014), Theisohn (2012), Gannon (2003), Lem (1984a und b) erwähnen.

[3] Als mutmaßlich sekundärer Effekt dieses Vermögens spielen Zukunfts-vorstellungen in gesellschaftlich relevanten oder auch konstitutiven Narrativen eine Rolle (vgl. Bühler/Willer 2016b: 9). Man denke an christliche Gesellschaften und den Jüngsten Tag, an den gegenwärtigen Westen und die Klimakatastrophe. Zur Entwicklung menschlicher Zukunftsvorstellungen vgl. Bühler/Willer 2016b: 18f.; Hölscher 2016; Koschorke 2020: 29f.; Koselleck 2003: 19–118; Seitz, Wissensfiguren, 254–256.

[4] Koselleck (2003: 209–214) bietet bemerkenswerte Beispiele im Zusammenhang mit der Französischen Revolution.

[5] Die Begriffe Politik und Wissenschaft werden hier in einem weiten Sinne aufgefasst: Politik meint auch die Politik kleinerer Verbünde – Unternehmen, Vereine u.ä. –, Wissenschaft auch ein auf wissenschaftlicher Methodik basiertes Vorgehen außerakademischer Institute.

[6] Aktuell gelangen Zweck und Eggert auf empirischer Basis und in Bezug auf den deutschsprachigen Raum zu dem vorsichtigen Fazit, „zumindest aus Sicht der beteiligten Akteure“ ließen sich „durchaus Entwicklungen in Richtung einer zunehmenden wissenschaftlichen Disziplinierung beobachten“ (Zweck/Eggert 2019: 14). Immerhin scheint noch ein gutes Stück des Weges vor uns zu liegen. Vor allem fehlt der wissenschaftstheoretische Diskurs weitgehend (vgl. Popp 2012: 16). – Einen Überblick verschiedener zukunftswissenschaftlicher Ansätze bietet Gransche 2015: 29–70. – Zur Entwicklung zukunftswissenschaftlicher Ansätze vgl. Bühler/Willer 2016b: 11f.; Hölscher 2016: 109–120; Seefried 2015; Steinmüller 2013a, 2013b, 2014.

[7] Am Rande erwähnt seien Nebengefechte wie die Frage, inwieweit von überhaupt von Zukunftswissenschaft oder gar von Futurologie gesprochen werden solle (vgl. Gransche 2015: 40 bzw. 52–54; Kosow/Gaßner 2008: 11). Mir scheinen terminologische Engführungen nicht dienlich, ehe nicht inhaltliche Grundlagen feststehen.

[8] Ideal bedeutet: rein im menschlichen Geist situiert. Anders gewendet heißt das, dass der Mensch nur dort über sicheres Wissen verfügt, wo er die Spielregeln selbst formuliert – eine Tautologie.

[9] Der in diesem Zusammenhang immer wieder erwähnte Standard der Relevanz erscheint mir sekundär. Wer wollte darüber befinden, was relevant ist? Wieso sollte man über Irrelevantes nicht sauber arbeiten können? Weitere Standards (Zieldefinition, klare Sprache u.ä.) sind m.E. den o.g. Kategorien subsumiert.

[10] Andersherum beeinflusst Zukunftswissen Gegenwart und gegenwärtiges Handeln; auch, wo dies nicht beabsichtigt ist (vgl. Bühler/Willer 2016b: 14f., 17; Hartmann/Vogel 2010: 7, 17). Ein Beispiel bieten die Finanzmärkte: Die ungünstige Prognose zieht den fallenden Kurs nach sich. Erwartung und Entwicklung wirken wechselseitig auf einander ein.

[11] „Eigentlich“ bedeutet: historisches Wissen, das den Anspruch erhebt, ein Pendant in der Realität zu besitzen, also wirklich Gewesenes korrekt zu erfassen. Ausgenommen sind damit Passagen, in denen die Historikerin ins fiktionale Erzählen gerät. Ein lesbares historisches Werk kann sie wohl kaum entbehren.

[12] Der Eintrag wird also behandelt, als gäbe es keine Möglichkeit, Kontextwissen hinzuzuziehen.

[13] Die Kritik könnte dann nur die Gewagtheit der Hypothese monieren. Erfahrungsgemäß geschieht das lediglich in extremen Fällen. Historiographische Schriften sind zumindest in ihren Details fast immer ‚gewagt‘. Und möglich, dass wir uns auch im Großen oft genug mit dem stimmigen Narrativ zufriedengeben, das mit der historischen Realität kaum etwas zu tun hat.

[14] Diese Phänomene liegen sämtlich ‚im Auge des Betrachters‘; ihre Objektivierung entspricht einer optischen Täuschung. Der Zufall existiert hier nur in der beschränkten Perspektive des Beobachters und stellt nur dort einen „Gegensatz zur regelhaften kausalen Gesetzlichkeit“ dar (Demandt 2001: 40). Tatsächlich folgen zufällig erscheinende Ereignisse nicht minder den Gesetzen der Logik und Kausalität als erwartete – im Mesokosmos jedenfalls, den die Zukunftsforschung betrachtet (vgl. Vollmer 2002: 161–165).

[15] Einen Überblick über gängige zukunftswissenschaftliche Methoden bietet Gransche 2015: 78–83.

[16] Einen exzellenten Aufriss des Themas bieten Kosellecks Zeitschichten. Insbesondere werden anthropologische und naturale Ursachen zyklischer Geschichtsstrukturen thematisiert. Dieser Stoff verlangt nach Systematisierung und weiterer Vertiefung, jedoch sind mir entsprechende neuere Arbeiten nicht bekannt.

[17] Ich denke an zwei Fälle: Den häufigen einer (oft impliziten) Annahme eines teleologischen Zielpunktes der Entwicklung (die klassenlose Gesellschaft u.ä.) sowie den gegenwärtig selten gewordenen einer unbegründeten Setzung zirkulärer Strukturen. Für letzteres bietet wohl Spenglers Untergang des Abendlandes (1918/1922) das prominenteste Beispiel; dort wird das morphologische Grundmodell, das die Entwicklung von Hochkulturen mit derjenigen von Pflanzen analog setzt, nirgends begründet. – Übrigens weist das Werk entschieden antizipatorische Züge auf, und es ist bemerkenswert, dass Spengler bei allen faszinierenden Beobachtungen an entscheidender Stelle seinem eigenen Dogmatismus aufsitzt: Die Technik hat sich mittlerweile mitnichten als ans Abendland gebunden erwiesen, sondern scheint Teil einer linearen Tendenz zu sein, die nicht nur das Nebeneinander der Kulturen auflöst, sondern die Erdgeschichte selbst zu beeinflussen beginnt (vgl. Jünger 2015a: 564).

[18] Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Analyse Gramelsbergers (2010).

[19] Abgesehen von der generellen Grundannahme, das erstrebte Wissen sei wissenswert, die dem Interesse überhaupt zugrundeliegt.

[20] Selbstverständlich lässt sich im Wissenschaftsbetrieb wirken, indem vor allem Vorgängiges dem Inhalt oder der Methode nach kopiert wird: Man denke an Abhandlungen, die wenig mehr als Zusammenschrieb bekannter Positionen bieten, oder auch an das Sammeln und Sortieren von Daten. Das sind aber subalterne Tätigkeiten, die bestenfalls im Dienst übergeordneter Fragestellungen stehen und für sich allein genommen niemals zu wissenschaftlicher Innovation, zu Erkenntnissen führen.

[21] Eine prospektive Perspektive als Gedankenexperiment. Ein neuer Kontinent wird entdeckt. Die Minimalhypothese wird lauten, dass sich dort unbekannte Lebewesen finden werden, die aber vermutlich keine neuen Klassen bilden. Schon dann ist ein schwarzer Schwan keine erstaunliche Erscheinung mehr. Je mehr erd- und naturgeschichtliches Wissen vorliegt, je besser die Gesetze der Evolution und Adaption bekannt sind, desto präzisere Hypothesen bezüglich der vorfindlichen Lebewesen lassen sich erstellen. – Übrigens arbeitet die Paläontologie ja genau mit solchen Mitteln; mangels Fossilien stehen zahlreiche Hypothesen nicht auf materialer Basis. Könnten wir aber einen Blick in die Kreidezeit werfen und würden den Tyrannosaurus wider Erwarten rosa gepunktet vorfinden, wäre das wohl kaum unsere erstaunlichste Beobachtung dort.

[22] Bei Grautoff stehen Deutschland, Österreich, Italien vor allem England und Frankreich sowie einigen unbedeutenderen Gegnern gegenüber. Amerika und Russland befeuern zwar den Konflikt – divide et impera –, greifen aber selbst nicht zu den Waffen. Deutschland erweist sich zu Land, England zur See als überlegen; der Krieg endet nach der Erschöpfung aller Beteiligten im Patt. Angesichts des Bündnissystems und der Heeresstärken zum Zeitpunkt des Verfassens ist dies Szenario überzeugend. Vor allem aber lässt sich der historische Kriegsverlauf implizit erkennen, gleicht man die Konstellation der Mächte der realhistorischen an: Stünden nun Deutschland und Österreich gegen England, Frankreich, Italien, Russland und Amerika, schiene die Niederlage unausweichlich. – Eine Analyse des prospektiven Potentials der Erzählung zwecks zukunftswissenschaftlicher Reflexion wäre in hohem Maße fruchtbar (V.5). Um thetisch ein wenig vorzugreifen: Korrekt erfasst sind im Wesentlichen die beteiligten zentralen Antagonisten und damit auch der regionale Schwerpunkt der Austragung (aber nicht jeder einzelne Kriegsteilnehmer), die Kriegsgründe (aber nicht der unmittelbare Anlass der Kampfhandlungen), die Kräfteverteilung (aber nicht im Detail, etwa hinsichtlich einzelner Truppenteile und Waffengattungen). Hätte Grautoff vagere Schemata verwandt, hätte dies die prospektive Potenz seiner Ausführungen gesteigert (zulasten ihrer Literarizität). Darüber hinaus legt der zwar begründete und nachvollziehbare, aber aufgrund akzidentieller Umstände von der historischen Realität abweichende Kriegsverlauf nahe, Zukunftsszenarien in mehreren Varianten zu erstellen, wie es auch praktiziert wird. So in der Szenariomethode, die Herman Kahn im Rahmen des militärisch-strategischen Komplexes der USA im Kalten Krieg prägte (vgl. Kosow/Gaßner 2008: 7; Popp 2012, 11f.; Seefried 2015: 110–117). Fester Bestandteil ist der Szenariotrichter, die Aufspaltung möglicher Entwicklungen in mehrere Szenarien vom gegenwärtigen Zeitpunkt an (vgl. Kosow/Gaßner 2008: 12f.). – Eine aktuelle „Bestandsaufnahme der Szenariomethodik“ bieten Weimert/Römer (2021).

[23] Gattungsfragen spielen in diesem Zusammenhang erst in der Nahperspektive eine Rolle, die hier nicht eingenommen wird (vgl. dazu Bühler 2016b: 297; Siebenpfeiffer 2016: 310f. sowie zur Geschichte utopischer Literatur Bühler, 2016b: 298–300; Seitz 2010: 254–257; Siebenpfeiffer 2016: 312, 316). – Beispiel für einen eindeutig nicht-utopischen Text, der trotzdem bedeutende Antizipationen enthält, ist etwa Kleists Hermansschlacht (1821). Vorgeführt wird hier eine moderne Variante des Fanatismus, übersteigerter Nationalismus, mit seinen äußersten Folgen (Gräuelpropaganda und Vernichtungswille), die historisch erst im 20. Jahrhundert in Erscheinung traten.

[24] Erwähnt sei an dieser Stelle, dass literarische Texte in Bezug auf Zukunftsvorstellungen selbstverständlich allen Ansätzen einer Verwissenschaftlichung vorangingen. In der frühen Vorausschau erscheinen Kunst und Wissenschaft noch ungetrennt (vgl. Steinmüller 2009: 145). Am Anfang freilich standen Kultus und Religion.

[25] https://arbeit2100.de/das-projekt/ bzw. http://phantastik.eu/projekte/future-life

[26] https://projekt-cassandra.net

[27] Das schließt Kunst, die Inkohärenz zum Selbstzweck erhebt, nicht aus. Wo Sinn bewusst dekonstruiert wird, liegt der übergeordnete Sinn in der Dekonstruktion.

[28] Was den praktischen Aufwand betrifft, so würde ein Versuch der genannten Art potentiell bis auf die kleinsten semantischen Einheiten eines Textes zurückführen. Und theoretisch bewegte man sich jedenfalls auf der Grenze zur Frage nach der Autorintention.

[29] Funktionsbeschreibungen, die technische Expertise lediglich fingieren, sind im Bereich Science-Fiction häufig. Nichtsdestoweniger kann das entsprechende Objekt sich aus zukunftswissenschaftlicher Perspektive als interessant darstellen.

[30] Diesen Zusammenhängen spürte ich in Bezug auf Jüngers Erzählung Gläserne Bienen (1957) nach, und zwar der Frage folgend, inwieweit Literatur unter zukunftswissenschaftlichen Gesichtspunkten fruchtbar gemacht werden könne (vgl. Mackasare 2021 und 2022).

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