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Jahrgang 2021, Ausgabe 1
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Existentielle Gefahren für die Menschheit als Gegenstand für die Zukunftsforschung

Existential threats to mankind as an object for futures research

  1. Dr. Karheinz Steinmüller Z_punkt GmbH The Foresight Company
  2. Prof. Dr. Lars Gerhold Freie Universität Berlin

Zusammenfassung

Untersuchungen zu existentiellen Gefahren für die Menschheit sind bislang eine Seltenheit. Mit der vorliegenden Publikation wird der Versuch unternommen, grundlegende Konturen dieses Forschungsfelds zu umreißen. Zu diesem Zweck werden methodische Probleme der Auseinandersetzung mit existenzielle Gefahren diskutiert und die Perspektiven von Nachbardisziplinen erschlossen. Eine vorläufige Bestandsaufnahme umfasst 20 existenzielle Gefahren, darunter plötzlich eintretende Katastrophen und solche, die sich über Niedergangsspiralen realisieren, zudem eher spekulative und solche mit einer breiten empirischen Basis. Mit den Kriterien von Vermeidbarkeit, Schadensausmaß, Wahrscheinlichkeit und Ungewissheit wird ein Kriterienraster für die Bewertung der existenziellen Gefahren vorgeschlagen. Die Kriterien Vermeidbarkeit und Ungewissheit werden als zentral herausgearbeitet und in einer Umfrage mit einem ausgewählten Expertenkreis getestet. Als Ergebnis lassen sich fünf Typen von existenziellen Gefahren unterscheiden: Sie reichen von anthropogenen Gefahren mit großer bis mittlerer Vermeidbarkeit bei mittlerer bis hoher Ungewissheit, über ökologische existenzielle Gefahren und Geo-Gefahren bis zu zwei Typen von kosmischen Gefahren mit sehr geringer Vermeidbarkeit und – bei Typ II – hochgradig spekulativem Charakter. Da als normatives Gebot jegliche existentielle Gefahr für die Menschheit auszuschließen ist, verbietet sich eine rein probabilistische Herangehensweise. Eine Bewertung nach Dringlichkeit der existenzielle Gefahren ist notwendig, aber nicht ausreichend. Zu sämtlichen existenzielle Gefahren besteht erheblicher Forschungsbedarf und ebenso politischer Handlungsbedarf.

Abstract

Despite some international publications, existential threats to mankind are still underresearched. The present publication is aimed at sketching fundamentals for this new field of research. Therefore, main methodological challenges of existential threats research are discussed, and perspectives of adjacent disciplines on existential threats utilized. A preliminary stocktaking has resulted in 20 existential threats. The catalogue includes sudden catastrophes and processes of decline; rather speculative, hypothetical threats and existential threats with a strong empirical evidence. A set of criteria for the assessment of existential threats is proposed: severity of damage, avoidability, probability and uncertainty. Avoidability and uncertainty were tested in a survey with a selected group of experts. As main result, five types of existential threats were identified: anthropogenic existential threats with medium to large avoidability and medium to high uncertainty, ecological existential threats and earth-related existential threats, and two types of existential threats with cosmic origin, both with negligible avoidability, one type of highly speculative character. As a normative requirement, all existential threats are forbidden. Therefore, a purely probabilistic approach is inadequate. An assessment with respect to urgency is necessary, but not sufficient. For all existential threats exists a need for more research and also a need for more political awareness.

Keywords

1. Konzeptioneller Rahmen

1.1. Risiko und Gefahr

Diskussionen um extreme Gefahren sind zumeist auf den Begriff des Risikos fokussiert (etwa: Bostrom/Ćirković 2008), wobei der Begriff des Risikos oft sehr weit und unscharf gefasst wird. Wir folgen hier Luhmann, der nach der Selbstentschiedenheit differenziert. Während Risiken freiwillig eingegangen werden, ist man Gefahren unfreiwillig als Betroffener ausgesetzt (Luhmann 2003). Der Begriff der Gefahr ist damit weiter, er umfasst auch externe Umstände, die die Möglichkeit des Verlusts implizieren, aber einen selbst ohne eigene Entscheidung betreffen. Daher werden wir hier und im Folgenden mit dem Begriff der Gefahr operieren.

In Diskussionen wird gelegentlich auch der Begriff der Bedrohung („threat“) verwendet. Dieser Terminus verschiebt den Fokus auf die Ursache oder mehr noch den Verursacher, es wird jemand vorausgesetzt, der (be-) droht. Ein spezifischer Akteur der Bedrohung lässt sich jedoch für die meisten existentiellen Gefahren nicht ausmachen – es sei denn man bemüht Kollektivsubjekte wie „die Menschheit“, was für konkrete Analysen unzureichend ist.

Neben den erwähnten Arbeiten in der Foresight-Community kann man auf relevanten Beiträgen aus der Risikoforschung (etwa: Bechmann 1993) und Untersuchungen zum gesellschaftlichen Umgang mit Unsicherheit (etwa: Renn et al. 2007, Gerhold 2008) aufbauen.

Grundsätzlich ist es ein wesentliches Merkmal unseres Zeitalters, dass signifikante Risiken in Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt einen systemischen Charakter besitzen. Entstehung und Folgen in Zeit und Raum sind dem Augenschein nach entkoppelt, mögliche Entwicklungen entziehen sich unserer Kenntnis (Kontingenz). Um trotz des Nichtwissens Handlungsfähigkeit zu erreichen, muss eine Transformation von Kontingenz in handhabbare Komplexität erfolgen. Aus Unsicherheit wird Risiko. Für diese Transformation existieren drei grundlegende Zugänge (Bechmann 1993, Buergin 1999, Gerhold 2011):

  1. Naturwissenschaftlich-probabilistischer Ansatz: Die Reduktion der Unsicherheit erfolgt unter der Annahme der Kalkulierbarkeit von Risiken. Die entsprechenden Modelle stehen in der Kritik, da ihre Eindeutigkeit (z. B. durch Überführung von Risiken in Rankings und definitive Ja/Nein-Entscheidungen) eine Kontrollierbarkeit suggerieren, die nicht gegeben ist. [1]

  2. Die psychologisch-kognitive Perspektive schreibt den Risiken qualitative Merkmale zu und erklärt, wie Heuristiken entstehen, die es Individuen ermöglichen, trotz Ungewissheit zu agieren. Handelnde Subjekte entwickeln ein mentales Modell, das ihnen Handeln ermöglicht, obwohl dieses Modell nicht der Realität (sofern sie denn bekannt ist) entspricht.

  3. Die sozio-kulturelle Perspektive betrachtet Risiken auf gesellschaftlicher Ebene. Risiken sind soziale Konstruktionen. Sie sind Risiken, weil sie in der Aushandlung von sozialen Gruppen (Politik, Wirtschaft etc.) dazu gemacht werden, im Zweifelsfall unabhängig von ihrem Realitätsgehalt (der selbst sozial konstruiert wird).

In diesem Beitrag wird der Begriff der Gefahr in das Zentrum gerückt, weil die Auswirkungsseite primärer Gegenstand ist. Es ist für diese Analyse nicht relevant, ob sich ein Verursacher feststellen lässt, ein Risiko freiwillig eingegangen wird oder ob eine solche Zuschreibung nicht möglich ist. Grundsätzlich ist vorauszusetzen, dass das Ende der Menschheit nie das beabsichtigte Ergebnis einer Risikoentscheidung sein kann. Es kann sich jedoch als unbeabsichtigte Folge ergeben. [2] Diesem Gedanken folgend, werden die die Existenz der Menschheit betreffenden Auswirkungen von Risikoentscheidungen hier als Gefahren betrachtet, weil diese Auswirkung erstens bei der Risikoentscheidung nicht intendiert war, weil sie zweitens alle Menschen betreffen, unabhängig davon, welche Rolle sie bei der Risikoentscheidung spielen, und weil sie drittens für diejenigen Betroffenen, die an der Entscheidung nicht beteiligt sind, den Charakter von Gefahren tragen.

Aus einer sozio-kulturellen Perspektive geht es um die Frage: Was ist als existentielle Gefahr anzusehen und was nicht? Konkret heißt dies: Wie steht eine Gesellschaft etwa zu der Bewegung „Fridays for Future“? Wie geht sie mit einer Pandemie um? Welche Bedeutung misst sie der nuklearen Abrüstung bei?

Wenn wir in der gesamtgesellschaftlichen Aushandlung die existentiellen Gefahren als eben solche akzeptieren und das Ende der Menschheit reale Möglichkeit statt Fiktion ist, dann wiederum lassen sich auch Handlungen und Maßnahmen für spezifische Akteure ableiten. Für dieses Ziel sollen im Folgenden Grundlagen erarbeitet werden.

1.2. Methodische Herausforderungen

Existentielle Gefahren bieten aus methodischer Sicht mehrere Herausforderungen. Sie entziehen sich zuerst einmal konventionellen Bewertungsrastern, etwa der im Versicherungswesen gebräuchlichen Bewertung nach Schadenshöhe und Wahrscheinlichkeit. Ein probabilistischer Ansatz ist nicht nur deshalb unangemessen, weil Wahrscheinlichkeiten – außer für gewisse Naturereignisse [3] – schwer zu bestimmen sind, und die Angabe der (zumeist sehr kleinen) Wahrscheinlichkeiten auch wenig zielführend ist. Wie auch immer die Gefahr beschaffen ist, es muss vermieden werden, dass sie die Menschheit auslöscht.

Existentielle Gefahren sind weiterhin per Definition singulär; das „Schadensereignis“ Extinktion hat noch nie die Menschheit betroffen. Damit entbehren sie jeder historischen und auch jeder empirischen Vergleichsbasis. Allenfalls können Analogien und modellhafte Überlegungen auf Basis bestimmter Großschadensereignisse bemüht werden. So könnten für die Konstruktion von finalen Niedergangsszenarien Analogien aus dem Erlöschen bestimmter Kulturen genutzt werden.

Auch die Qualifikation als „existentiell“ bedarf einer Erläuterung. Per Definition handelt es sich bei existentiellen Gefahren um mögliche Entwicklungen, die das Überleben der Menschheit in Frage stellen. Mit „Überleben“ kann jedoch schon rein formal Unterschiedliches gemeint sein. Die Spannweite reicht von der physischen Existenz des Homo sapiens als biologischer Art (sozusagen vom bloßen Dasein des Menschen als Naturwesen) bis zu seiner kulturellen Existenz in hochentwickelten, technologischen Gesellschaften (dem Sosein der Menschheit als Träger von Kultur). Dieses Spektrum der Gefährdungsdimension sollte Eingang in eine Systematik finden (siehe Abschnitt 4. Aspekte).

Fast stets entfalten existentielle Gefahren ihre Wirkung in systemischen Zusammenhängen, die ein hohes Maß an Kontingenz beinhalten. Bei vielen dieser Gefahren führen komplexe Wirkungskaskaden, meist unter Einschluss von sozialen (Zerfalls-) Prozessen, zum Erlöschen der Menschheit. Diese menschheitsgeschichtlich singulären Ereignisketten sind naturgemäß von mehr oder weniger kontingenten Wendungen geprägt, die bisweilen auch Ansatzpunkte für Gegenmaßnahmen bilden. Menschliches Handeln wird so zu einem nicht zu vernachlässigenden Faktor, der als Handeln unter Extrembedingungen, die außerhalb der normalen Erfahrungswerte liegen und in der Regel kaum im Detail bestimmbar ist.

Was in einer Gesellschaft als existentielle Gefahr gilt, ist wie oben bemerkt ein sozio-kulturelles Konstrukt, das zwar durchaus vom wissenschaftlichen Erkenntnisstand abhängt, aber in hohem Maße auf die Gefährdungswahrnehmung der Gesellschaft verweist. Aus methodischer Sicht stellt das Spannungsverhältnis von naturwissenschaftlich-probabilistischer und sozio-kultureller Perspektive eine Herausforderung dar, die insbesondere in der Bewertung und Kommunikation von existentiellen Gefahren zu berücksichtigen ist.

1.3. Perspektiven auf existentielle Gefahren

Die Untersuchung existentieller Gefahren für die Menschheit bedarf einer multi- und transdisziplinären Herangehensweise, denn extreme und im Einzelfall sogar existentielle Gefahren werden aus vielen disziplinären Perspektiven und aus dem Zusammenhang unterschiedlicher gesellschaftlicher Diskurse heraus thematisiert. [4] Diese Perspektiven liefern jeweils einen Ertrag an Ideen, die in eine umfassende Darstellung existentieller Gefahren einfließen können.

  • Perspektive der Großschadensereignisse:
    Die Risikoforschung befasst sich unter anderem – insbesondere mit dem Konzept des GAU (Größten Anzunehmenden Unfalls) – mit extrem großen, singulären, unbedingt zu vermeidenden Risiken. Das Ausmaß der Schäden kann dabei so groß sein, dass konventionelle Ansätze des Risikomanagements und des Katastrophenschutzes und ohnehin alle Versicherungsmodelle versagen und letztlich die Gesellschaft insgesamt die Folgen zu bewältigen und die Schäden zu tragen hat. Im Sinne des Vorsorgeprinzips ist es geboten, die Wahrscheinlichkeit des Schadensereignisses auf null zu reduzieren. Es handelt sich um „verbotene Risiken“ (siehe WBGU 1999: 8ff).
     Hervorzuhebender Gehalt: Einige Risiken übersteigen die Fähigkeiten eines Risikomanagements. Bei ihnen ist die gesamte Gesellschaft betroffen; Vermeidung besitzt absoluten Vorrang.

  • Perspektive der systemischen Risiken:
    Die Soziologie hat in den letzten Jahrzehnten den systemischen Charakter von Risiken in den modernen Gesellschaften herausgearbeitet; sie entstehen in einem Gesamtzusammenhang und sie wirken in einem Gesamtzusammenhang: Ist ein Teilsystem betroffen, zieht dies Folgen in anderen nach sich und potenziert die Wirkungen. Systemischen Risiken (Renn et al. 2007) sind durch einen hohen Grad an Vernetzung und Komplexität gekennzeichnet. Unsicherheiten hinsichtlich dessen, wie sich die Wirkungen entfalten, schließen Prognosen aus, die Vielfalt von Deutungsmöglichkeiten (Ambiguität), einschließlich der Schuld- bzw. Verantwortungszuschreibungen, zieht Konflikte nach sich, die mit ihnen verbundenen Prozesse besitzen häufig einen hochdynamischen und flüchtigen Charakter (in Analogie zum Börsengeschehen als Volatilität bezeichnet). [5] Die Ausbreitungsmechanismen („global spread mechanisms“ in der Terminologie von Avin et al. 2018) produzieren immer aufs Neue Kontingenz.
     Hervorzuhebender Gehalt: Existentielle Gefahren entfalten ihre Wirkungen in systemischen Zusammenhängen. Das auslösende Ereignis (oder der auslösende Trend) setzt komplexe und nicht mehr nachvollziehbare Ausbreitungsmechanismen in Gang.

  • Perspektive der Umweltbewegung:
    Seit Jahrzehnten warnen Umweltforscher und mehr noch Umweltbewegte vor der „Ökokatastrophe“, einem möglichen Kollaps der irdischen Biosphäre. Die Szenarien betreffen insbesondere die übermäßige Belastung der natürlichen Medien durch Schadstoffe (beispielsweise bis hin zum Umkippen der Weltmeere in einen anoxischen Zustand) und einen Verlust der Biodiversität, der in einen Zusammenbruch von Ökosystemen und letztlich einer irreversiblen Schädigung der gesamten irdischen Biosphäre münden kann. Zweck der bisweilen apokalyptisch vorgetragenen Warnprognosen ist die politische Willensbildung und die Mobilisierung gesellschaftlicher Abwehrkräfte, so dass die Katastrophe vermieden wird (also die sich selbst negierende, zerstörende Prophezeiung). Einen Kernpunkt der Argumentation bildet dabei oft die Notwendigkeit eines grundlegenden sozioökonomischen System- bzw. Paradigmenwechsels, ohne den der Weg in die Katastrophe nicht verlassen werden kann.
     Hervorzuhebender Gehalt: Warnprognosen dienen der Mobilisierung; existentielle Gefahren können einen sozioökonomischen Systemwechsel erzwingen.

  • Perspektive der Erdsystemforschung:
    Die Klimafolgenforschung hat in den letzten Jahren die Vulnerabilität des Erdsystems herausgearbeitet. Überschreitet die globale Erwärmung bestimmte Schwellwerte, kann es zu nichtlinearen, sprunghaften Wirkungen kommen. Mehr als ein Dutzend sog. Kippelemente (tipping elements) sind identifiziert worden (Lenton et al. 2008). Taut beispielsweise der sibirische Permafrostboden, führt das freigesetzte Methan zu einer Beschleunigung der Erwärmung (runaway climate change). Dies wiederum zieht Folgewirkungen wie beschleunigte Gletscherschmelze oder Verlagerung von Windsystemen nach sich. Weitere „planetare Leitplanken“ (Belastungsgrenzen) betreffen die Versauerung der Ozeane, biogeochemische Kreisläufe (Phosphat- und Stickstoffkreislauf) oder die atmosphärische Aerosolbelastung (Steffen et al. 2015).
     Hervorzuhebender Gehalt: Verletzliche Elemente spielen in den komplexen Wirkungsketten, die von Gefahren ausgehen, eine besondere Rolle. Auch wegen der Kippelemente und Kaskadeneffekte sind Wirkungen schwer vorherzusagen.

  • Perspektive der Erdgeschichte:
    Seit der Entstehung des Lebens auf der Erde vor etwa vier Milliarden Jahren hat die irdische Biosphäre mehrere große Krisen mit dem massenhaften Aussterben von Arten durchlebt (Elewa 2008). Neben kosmischen und geologischen Ursachen (wie dem Asteroiden-Einschlag am Ende der Kreidezeit vor 66 Millionen Jahren oder starkem Vulkanismus) werden auch Rückkopplungsmechanismen innerhalb der Biosphäre diskutiert (Medea-Hypothese, siehe Ward 2009). Das Anthropozän kulminiert derzeit in einem weiteren Extinktions-Ereignis.
     Hervorzuhebender Gehalt: Die Natur befindet sich nicht in einem dauerhaften Gleichgewicht, extreme globale Umbrüche sind ein Bestandteil der Evolution.

  • Perspektive der (Geschichts-) Philosophie:
    Nach dem Ende der geschichtsphilosophischen Erzählungen [6] wird nur noch vereinzelt über das Ende des Fortschritts oder das Ende der Geschichte spekuliert (Fukuyama 1992). Die Endlichkeit der Menschheit ist kein Thema für Diskurse innerhalb der Geschichtsphilosophie mehr, wohl aber für philosophische Betrachtungen, insbesondere im angelsächsischen Raum (Leslie 1996, Bostrom 2018).
     Hervorzuhebender Gehalt: Die Frage nach den existentiellen Gefahren ist in grundsätzliche weltanschauliche Fragestellungen zum geschichtlichen bzw. zivilisatorischen Fortschritt, zum Telos der Geschichte eingebunden.

  • Perspektive der untergegangenen Zivilisationen:
    Die Weltgeschichte kennt zahllose Beispiele von Gesellschaften bzw. Kulturen, die aus unterschiedlichen Ursachen (Ressourcenerschöpfung, klimatische Veränderungen, Epidemien, Kriege, …) zusammenbrachen und verschwanden (Diamond 2006). Häufig gerieten diese Gesellschaften in Niedergangsspiralen, in denen ein Problem weitere Probleme, eine Krise weitere Krisen hervorrief, bis der Zusammenhalt der Gesellschaft und mit ihm die kulturelle und die ökonomische Basis verloren ging.
     Hervorzuhebender Gehalt: Der Niedergang besteht in der Regel in sich gegenseitig verschärfende Problemlagen und Krisen (Kaskaden).

  • Perspektive der Astronomie:
    Die Astronomie hat umfangreiche und empirisch gut bestätigte Theorien zum Lebensweg von Sternen und Planeten erarbeitet. Die modernen Beobachtungsmethoden (insbes. der Radioastronomie und neuerdings der Gravitationswellenastronomie) zeigen das Universum als einen Raum extrem dynamischer Prozesse, die unterschiedliche Arten kosmischer „Katastrophen“ [7] produzieren (Plait 2010). Auch bevor unsere Sonne in etwa einer Milliarde Jahre zu heiß für organisches Leben auf der Erde wird, ist unser Planet verschiedenen kosmischen Gefahren ausgesetzt, wenn auch mit extrem geringer Wahrscheinlichkeit.
     Hervorzuhebender Gehalt: Auch von natürlichen Vorgängen, die der Mensch nicht beeinflussen kann, können existentielle Gefahren ausgehen.

  • Perspektive der Forschung nach extraterrestrischen Zivilisationen:
    Bislang wurden keine außerirdischen Intelligenzen bzw. Zivilisationen nachgewiesen. Diese Beobachtung steht im Widerspruch zu der populären Annahme, dass intelligentes Leben im Universum nicht extrem selten ist und häufig ein höheres technologisches Niveau als die Menschheit erreicht („Fermi-Paradox“, siehe Webb 2002). Eine mögliche Erklärung besteht darin, dass die Lebensdauer von Zivilisationen nach kosmischen Maßstäben sehr kurz ist, planetarische Zivilisationen durch Selbstauslöschung oder die Wirkung „großer Filter“, katastrophaler kosmischer Ereignisse, ihr Ende finden (Hanson 1998, Ward 2009).
     Hervorzuhebender Gehalt: Die Frage nach den existentiellen Gefahren für die Menschheit ist mit der Frage verbunden, welche Stellung die Menschheit im kosmischen Rahmen einnimmt.

  • Perspektive der Kulturwissenschaften
    In den Kulturwissenschaften wird aus verschiedenen – insbesondere poststrukturalistischen – Richtungen darauf hingewiesen, dass wissenschaftlichen Konzeptionen oftmals vorwissenschaftliche Narrative und Metaphern zugrunde liegen, die nicht oder nur in einer rationalisierenden Weise von der Wissenschaft reflektiert werden. Dies trifft in besonderem Maße auf Modelle und Hypothesen über existentielle Gefahren zu. [8] So weist Dürbeck (2018) am Beispiel des „Metanarrativs“ Anthropozän verschiedene Narrative nach: Katastrophennarrativ, Gerichtsnarrativ, Narrativ der „Großen Transformation“ (mit „Errettung“).
     Hervorzuhebender Gehalt: Darstellung und Analyse existentieller Gefahren sind mit einigen wenigen grundsätzlichen narrativen Mustern imprägniert, die auch hinsichtlich der Handlungsoptionen den Raum der Vorstellungen bestimmen (leiten bzw. einengen).

2. Bestandsaufnahme

In der Literatur zu möglichen Enden der Menschheit oder globalen katastrophischen Risiken (Leslie 1996, Bostrom/ Ćirković 2008, Casti 2012, Shackelford et al. 2020) werden zahlreiche existentielle Gefahren diskutiert. Im Folgenden sollen 20 Gefahren, die nach dem Kriterium der größtmöglichen Vielfalt ausgewählt wurden, kurz dargestellt werden, wobei wir in dieser Übersicht zugleich einen ersten Ansatz zu einer Systematik entwickeln wollen. Erstens werden anthropogene und nicht anthropogene Ursachen bzw. Auslöser unterschieden und zweitens werden unter den anthropogenen Gefahren Ereignisse, die die Menschheit innerhalb von Stunden oder Tagen auslöschen, von solchen abgrenzt, die eine länger dauernde Niedergangsspirale auslösen. Damit sind Ausbreitungsmechanismen, Kaskadeneffekte und sich selbst verstärkende wirtschaftliche, soziale, politische und ökologische Prozesse gemeint, die in eine mehr oder weniger totale Katastrophe für die Menschheit münden. Zugleich aber eröffnet ein längerer „Weg in die finale Katastrophe“ noch Optionen für ein Gegensteuern (Vermeidung, Vorbereitung und Bewältigung im Sinne des Katastrophenmanagements).

Wir führen nachstehend existentielle Gefahren auf, die in der einschlägigen Literatur diskutiert werden, ohne hier ihren Realitätsgehalt überprüfen zu wollen. Ausnahmslos finden diese Gefahren auch ihren Niederschlag in Filmen und Büchern, Computerspielen und Comics. [9]

Abb. 1 Überblick über die existentiellen Gefahren

2.1. Anthropogene Gefahren

3.1.1 Ereignisse, die die Menschheit kurzfristig auslöschen können

  • Nuklearer Holocaust: Eine militärische Auseinandersetzung zwischen Großmächten kulminiert in einem Schlagabtausch mit Nuklearwaffen, der nicht allein große Landstriche zerstört und verstrahlt, sondern darüber hinaus einen „nuklearen Winter“ als Folge hat: Staub und Asche in der Atmosphäre verdunkeln über Jahre die Sonne, rapides Absinken der globalen Temperaturen.

  • Künstliche Pandemie: Entweder durch den militärischen oder terroristischen Einsatz von Biowaffen oder durch missglückte Experimente mit Bio-Engineering gelangen Erreger in Umlauf, die eine Mortalität von nahezu 100% mit einer sehr hohen Infektionsrate verbinden.

  • Nanotechnologie außer Kontrolle: Sich selbst replizierende nanotechnologische Einheiten (Nanoroboter) entkommen aus Laboren oder Industrieanlagen oder werden gezielt freigesetzt. Sie assimilieren bzw. zersetzen organische Materie oder auch technische Systeme und bedecken am Ende weite Landstriche („Grey Goo“-Szenario).

  • Hochenergie-Experimente: Physikalische Großanlagen wie etwa der Large Hadron Collider (CERN) ermöglichen Experimente in extremen Energiebereichen, um Theorien zu den Grundstrukturen der Materie zu überprüfen – durchaus auch mit der Aussicht, neuartige physikalische Effekte zu entdecken. Falls der Vakuum-Nullzustand metastabil ist, d. h. ein weiterer Nullzustand mit noch niedrigerer Energie existiert, könnte durch derartige Experimente ein Übergang in den tieferen Zustand ausgelöst werden, der das gesamte Universum erfasst und alle uns bekannten Strukturen vernichtet.

3.1.2 Ereignisse, die eine Niedergangsspirale auslösen können

  • Ökologischer Kollaps: Es gibt zahllose, oft nicht im Detail ausgeführte Szenarien eines Zusammenbruchs der irdischen Biosphäre. Meist wird dieser durch die globale Erwärmung und/oder die Vergiftung der natürlichen Medien hervorgerufen. Komponenten sind die Desertifikation, die Entwaldung (sowohl bei tropischen Urwäldern als auch in borealen Regionen) oder das Umkippen der Meere, bisweilen auch ein missglücktes Geoengineering. All diese Szenarien beschreiben einen gravierenden Verlust an Biodiversität – im Grunde eine Übersteigerung aktuell ablaufender Prozesse. In der Folge bricht die Lebensmittelproduktion ein, Verteilungskämpfe brechen aus und die Entwicklung mündet in einen Kollaps der Gesellschaften.

  • Feindliche Superintelligenz: Intelligente Maschinen übernehmen das Kommando. In diesem Szenario bringt die Forschung zu künstlicher Intelligenz eine genuine allgemeine künstliche Intelligenz hervor, die der des Menschen in jeder Beziehung überlegen ist (Superintelligenz). Diese „Maschinen-Intelligenz“ emanzipiert sich von der Menschheit und verfolgt ihre eigenen Ziele. Die Zukunft des Homo sapiens hängt davon ab, ob diese Intelligenz ihren ehemaligen Schöpfern wohlwollend gegenübersteht – oder nicht. [10] Je nach Szenario kann diese „genetische Wachablösung“ (Joy 2000) auch sehr rasch erfolgen.

  • Verlust der menschlichen Fortpflanzungsfähigkeit: Seit Jahrzehnten lässt sich bei Männern in den westlichen Industriestaaten eine Verschlechterung der Samenqualität feststellen. Als mögliche Ursache werden u. a. hormonähnlichen Substanzen in der Umwelt und in Nahrungsmitteln – gegebenenfalls in Kombination mit anderen Faktoren – diskutiert. Eine Verschärfung der Situation könnte zu einem dramatischen Bevölkerungsrückgang führen und einen sozialen Kollaps nach sich ziehen.

  • Posthumane Wesen: Die Evolution des Homo sapiens ist ein nie abgeschlossener Prozess. Hypothetisch vorstellbar ist dabei auch ein evolutionärer Verlust von spezifisch menschlichen Eigenschaften wie breit ausgefächertes Gefühlsleben, Empathie, Solidarität, also ein Ende des Menschen, „wie wir ihn kennen“. Zwar würden die Nachfolger die Entwicklungslinie des Homo sapiens fortsetzen; sie würden jedoch nicht mehr unseren moralischen, kulturellen und sozialen Maßstäben für Menschlichkeit entsprechen – etwa bei sich permanent etablierenden totalitären Dystopien im Sinne von Caplan (2008).

2.2. Nicht von Menschen hervorgerufene Gefahren

3.2.1 Irdische Ereignisse

  • Ausbruch eines Supervulkans: Die Erdgeschichte kennt zahlreiche Eruptionen von Supervulkanen (definiert durch Auswurfmengen von über 1.000 km³), die auch als mögliche Ursache von Massenaussterben diskutiert werden. Die Magmakammer unter dem Yellowstone National Park gilt als groß genug, um einen Supervulkan-Ausbruch zu erzeugen. Eine derartige Eruption würde nicht allein Landstriche von kontinentalen Dimensionen zerstören, sondern einen sog. „vulkanischen Winter“ hervorrufen – mit dramatischen Folgen für die gesamte Biosphäre und die globale Lebensmittelproduktion.

  • Extreme Pandemie: Die Menschheit wurde mehrfach von großen Epidemien mit Millionen von Toten heimgesucht – etwa im 14. Jahrhundert von der Pest oder in den Jahren von 1918 bis 1920 von der Spanischen Grippe. Auch in jüngster Zeit sind immer wieder neue Krankheitserreger aus der Tierwelt auf den Menschen übergesprungen (Zoonosen wie Ebola, SARS oder SARS-Cov2). Bei hohen Mortalitäten und hohen Infektionsraten könnte nicht allein das Gesundheitswesen, sondern die Wirtschaft zusammenbrechen und letztlich ein Szenario des sozialen Kollapses resultieren.

  • Verlust des Erdmagnetfelds: Das irdische Magnetfeld schützt die Menschheit vor elektrisch geladenen Teilchen, die ihren Ursprung in Sonneneruptionen und koronalen Massenauswürfen haben. Ohne diesen Schutz wäre die gesamte Kommunikations- und Strominfrastruktur gefährdet (s. u.: extremer geomagnetischer Sturm), ebenso ist mit gravierenden Folgen für die Gesundheit zu rechnen.

3.2.2 Kosmische Ereignisse

  • Impakte: Der Einschlag eines Asteroiden oder Kometen von mehr als 10 km Durchmesser würde eine globale Katastrophe auslösen, beginnend mit der Vernichtung von Landstrichen kontinentaler Dimension und Super-Tsunamis. Millionen Tonnen Material würden in die Atmosphäre geschleudert und die Erde wie am Ende der Kreidezeit auf Jahre hinaus in Nacht und Kälte stürzen. Selbst Impakte von kleineren Dimensionen hätten dramatische Folgen.

  • Extremer geomagnetischer Sturm: Bisweilen ereignen sich auf der Sonne besonders starke koronale Massenauswürfe, die das Erdmagnetfeld abschwächen und die technischen Infrastrukturen beeinträchtigen oder schädigen – und im Extremfall Kommunikationsinfrastrukturen (Satelliten und auf der Erde) zerstören und auch die Stromversorgung unterbrechen (globaler Blackout).

  • Veränderte Sonnenaktivität: Die Strahlungsaktivität der Sonne schwankt geringfügig. So ist die „kleine Eiszeit“ im 16. und 17. Jahrhundert auf einen Rückgang der Bestrahlungsstärke („Solarkonstante“) zurückzuführen. Eine Reduktion der Sonnenstrahlung um wenige Prozent würde genügen, um den Globus mit einer Eisdecke zu überziehen. Nach dem aktuellen Diskussionsstand würde eine in einem realistischen Maße verminderte Sonnenaktivität die globale Erwärmung lediglich etwas verzögern. [11]

  • Nahe Supernova: Ein Stern, der sich in der Nähe des Sonnensystems in eine Supernova verwandelt, würde die Erde mit Gamma- und Röntgenstrahlung überschwemmen. Bei Distanzen unter 100 Lichtjahre könnten die Wirkungen auf die irdische Biosphäre verheerend sein, die Ozonschicht würde zerstört, Lebewesen könnten allein durch die Gamma- und Röntgenstrahlung getötet werden. Auch würde die Infrastruktur ähnlich wie bei einem extremen geomagnetischen Sturm in Mitleidenschaft gezogen.

  • Gammablitz: Radioastronomen beobachten immer wieder plötzliche Piks der Gammastrahlung in praktisch punktförmigen, sehr weit entfernten Himmelsregionen. Innerhalb von Sekunden wird mehr Energie freigesetzt, als die Sonne in Milliarden Jahren ausstrahlt. Nach einer verbreiteten Theorie kollidieren und verschmelzen dabei Neutronensterne. Träfe ein Gammablitz aus einigen Hundert Lichtjahren Entfernung die Erde, würde die Strahlung die Ozonschicht zerstören und ein Massenaussterben auslösen. [12]

  • Vagabundierendes Schwarzes Loch: Schwarze Löcher (Black Holes) sind kosmische Objekte, deren Masse auf ein sehr kleines, in der Theorie punktförmiges Volumen konzentriert ist. In ihrer unmittelbaren Umgebung verfügen sie über ein so starkes Gravitationsfeld, dass nicht einmal Photonen ihnen entweichen können. Sie können insbesondere durch den Kollaps von Sternen entstehen. Es wird spekuliert, dass einzelne Schwarze Löcher unerkannt durch die kosmischen Weiten ziehen. Träfe ein solches Schwarzes Loch die Erde, würde es den gesamten Planeten einsaugen.

3.2.3 Von außerirdischen Lebensformen oder Intelligenzwesen hervorgerufene Ereignisse

  • Biogefahr aus dem Kosmos: Außerirdische Organismen können eine Bedrohung für das Leben auf der Erde darstellen. Daher haben Raumfahrtagenturen für die Rückkehr von Raumflugkörpern und von Astronauten Prozeduren installiert, die vor einer Kontamination mit kosmischen Keimen schützen sollen. Eine derartige Kontamination könnte eine Pandemie auslösen oder im extremen Fall die gesamte irdische Biosphäre gefährden.

  • Kontakt mit extraterrestrischen Intelligenzen: Die Gefahren eines asymmetrischen Kulturkontakts mit außerirdischen Intelligenzwesen sind vorerst (?) bloße Spekulation, werden aber durchaus wissenschaftlich diskutiert (Schetsche/Anton 2019). Wie aus der Entdeckungs- und Kolonialgeschichte bekannt ist, kann allein schon ein gewaltfreier Austausch mit einer technologisch weit überlegenen Zivilisation katastrophale Folgen haben.

  • Ende der Simulation: Einige KI-Spezialisten halten es wie Nick Bostrom (2018) für möglich, wenn nicht sogar für wahrscheinlich, dass unser Universum lediglich als Simulation existiert. In diesem hoch spekulativen Fall wäre es nicht ausgeschlossen, dass die Schöpfer der Simulation diese beenden, weil sie das Interesse an ihrem Experiment verlieren oder aus einem anderen für uns unbegreiflichen Grund. [13]

Um existentielle Gefahren vergleichend analysieren und damit systematisieren zu können, ist ein Raster von Gesichtspunkten für die Charakterisierung und Bewertung unabdingbar. [14] Aus der Perspektive von Wissen und Handeln stehen dabei zwei Fragen im Vordergrund:

  • Welche Erkenntnisse haben wir über das potenzielle Schadensereignis und seine Wirkungen? Wo liegen die Unsicherheiten und Ungewissheiten? Lässt sich überhaupt bestimmen, wie valide unser Wissen ist?

  • Welche Handlungsoptionen stehen uns zur Verfügung? Ist eine Vermeidbarkeit erreichbar und wenn ja, welche Dringlichkeit des Handelns ist geboten? Und als Voraussetzung dafür: Welches Bewusstsein (im Sinne einer sozio-kulturellen Aufmerksamkeit der Weltgemeinschaft) besteht der Gefahr gegenüber?

Letztlich soll die Systematisierung kein Selbstzweck sein, sondern erste Hinweise darauf geben, wie mit existentiellen Gefahren nicht nur hinsichtlich Vermeidung und gegebenenfalls auch Vorbereitung und Bewältigung umgegangen werden sollte, sondern ebenso welche Forschungsbedarfe bestehen und wo neue Handlungsansätze nötig sind.

3.1. Schadensausmaß

Wie weiter oben bemerkt, sind auch bei existentiellen Gefahren Differenzierungen möglich: Wird der Homo sapiens als biologische Art vernichtet, erlebt die Menschheit einen Rückfall in ein vorindustrielles, agrarisches Zeitalter oder sogar ins Paläolithikum – oder geht das spezifisch Menschliche des Menschen verloren? [15]

In der Literatur finden sich vereinzelt Ansätze zu einer Einteilung. So unterscheidet Joseph Coates (2009: 695) vier Kategorien, deren erste drei sich primär auf die regionale oder überregionale Ausdehnung beziehen:

  • the end of cultures

  • the end of civilizations

  • the end of humankind

  • the end of the Earth

Zusätzlich führt er das Konzept der Schwere („severity“) der Katastrophe ein, gemessen an der Anzahl der Todesopfer. Coates (2009) rechnet dabei in Zehnerpotenzen: Severity 1 entspricht zehn Todesopfern, Severity 10 entspricht 1010, d. h. zehn Milliarden, also der gesamten Menschheit. Dieses Schema lässt sich allerdings nicht rückblickend auf die Menschheitsgeschichte ausweiten. [16]

Etwas differenzierter hat Steinmüller (2012) eine Einteilung vorgeschlagen, die sehr grob Stufen der Evolution der irdischen Biosphäre einbezieht. Die Grundidee besteht dabei darin, dass durch die globalen Katastrophen die Entwicklung des Lebens und der Intelligenz auf der Erde um eine oder mehrere Entwicklungsstufen zurückgeworfen wird. Im günstigen Fall setzt – wie nach einem Massenaussterben in der Erdgeschichte – die Evolution wieder ein und erreicht nach einer entsprechenden Zeitspanne wieder das Entwicklungs- bzw. Komplexitätsniveau vor der Katastrophe. In Anlehnung an Steinmüller (2012) lassen sich die folgenden Schadensausmaße unterscheiden [17]:

DS 0 Zusammenbruch einzelner Staaten oder Gesellschaften:
Einen solchen Zusammenbruch hat Diamond (2006) für verschiedene Kulturen beschrieben.

DS 1 Rückfall der Menschheit auf ein vorindustrielles, agrarisches Niveau:
Das könnte etwa durch eine Katastrophe geschehen, die nicht allein einen Großteil der technischen Infrastruktur zerstört, sondern auch die Weitergabe von technischem Wissen verhindert, einfache landwirtschaftliche Praktiken jedoch relativ unberührt lässt.

DS 2 Rückfall der Menschheit auf das Kulturniveau der Steinzeit (Jäger und Sammler):
Dazu müsste die Menschheit extrem reduziert werden, beispielsweise durch das Überleben einer sehr kleinen isolierten Gruppe von Menschen nach einer extremen Pandemie.

DS 3 Biologisches Erlöschen der Art Homo sapiens:
Die ist beispielsweise vorstellbar durch den „nuklearen Holocaust“ oder extrem effiziente Biowaffen.

DS 4 Verschwinden des höheren (mehrzelligen) Lebens auf der Erde [18].

DS 5 Erlöschen jedweden Lebens auf der Erde.

DS 6 Zerstörung der Erde.

Die einzelnen Stufen sowohl der Menschheitsentwicklung als auch der natürlichen Evolution könnten weiter ausdifferenziert werden. Für unsere Zwecke genügt diese grobe Einteilung. Die Stufen DS 4 bis DS 6 sind eher von theoretischem Interesse (z. B. für eine Betrachtung der Zeitspannen für eine Erholung bzw. Recovery). [19]

3.2. Ungewissheit

Gefahren sind per se kontingent. Es ist ungewiss, ob sie sich realisieren oder nicht, vielleicht gelingt es sogar, das auslösende Ereignis noch rechtzeitig abzuwenden oder seine Schadwirkungen einzudämmen. Damit sind zwei Aspekte von Ungewissheit angesprochen:

  • die zumindest für Naturereignisse aleatorische (naturgegebene, objektive) Unsicherheit des Eintretens, die bisweilen sogar eine Abschätzung von Wahrscheinlichkeiten erlaubt (s. u.),

  • die Unsicherheiten in den ökologischen, sozialen, ökonomischen, politischen usw. Wirkungsketten, die in der Regel nicht mit naturwissenschaftlicher Exaktheit zu beschreiben und nicht zu berechnen sind.

In beiden Fällen verschränkt sich die intrinsische, naturgegebene bzw. den menschlichen Gesellschaften inhärente Kontingenz, die sich im Begriff der Unsicherheit wiederfindet, mit den erkenntnismäßigen Ungewissheiten, dem unzureichenden Wissens- bzw. Forschungsstand, der bei Extremereignissen und ihren Folgen notwendigerweise stets Lücken aufweist. Oft lassen sich nicht einmal Ausmaß und Qualität der Unsicherheiten näher bestimmen. Im Einzelnen ist zu fragen: Welche Qualität hat das Wissen über das Ereignis und seine Wirkungen? Wo bestehen Ungewissheiten? Wie ist das Verhältnis von Fakten und etablierten Theorien und Modellen zu Spekulationen, Mutmaßungen und Hypothesen? Inwiefern sind Prognosen über den Ablauf möglich?

Ein Großteil der aufgeführten existentiellen Gefahren trägt systemischen Charakter: Sie entfalten ihre volle Fatalität erst über kürzere oder längere, in jedem Fall vielstufige Wirkungskaskaden im sozialen Raum (im Einzelfall auch im Naturraum). Verstärkungseffekten etwa durch zerstörte Infrastrukturen oder durch Panik stehen hier Gegenkräfte und Resilienzeffekte gegenüber; Niedergangsspiralen können gestoppt werden. Für die meisten anthropogen verursachen katastrophalen Ereignisse und ebenso für viele Naturereignisse lassen sich jeweils mehrere Szenarien argumentativ begründen. An die Stelle der einen Wirkungskaskade treten sich immer weiter aufspaltende Wirkungsfächer. Je weiter man sich zeitlich vom ursprünglichen auslösenden Ereignis [20] entfernt, desto mehr wachsen die Ungewissheiten an – bis sie sich wieder auf eine geringe Anzahl möglicher Endzustände reduzieren.

Bei lediglich spekulativ formulierten Gefahren ergibt sich zusätzlich ein epistemisches Problem: Die Spekulationen beruhen auf Hypothesen, die häufig umstritten sind (etwa bei Aussagen über Gefahren durch Künstliche Intelligenz), die im Grenzbereich etablierter Theorien angesiedelt sind (wie bei Gefahren durch High-Energy-Experimente) oder die auf Basis relativ gesicherter Wissensbestände sogar ausgeschlossen werden können. [21] In jedem Fall liegt diesen Spekulationen die Frage nach dem Gültigkeitsbereich etablierter Theorien oder Modelle zugrunde. Daher müssen zwei Ebenen betrachtet werden (Bostrom 2018: 54):

  1. die interne Ebene: Wie plausibel ist die Gefahr gemäß der Theorie, dem Modell? Im Spezialfall: Mit welcher Wahrscheinlichkeit realisiert sie sich gemäß der Theorie?

  2. die Meta-Ebene: Gibt es Gründe anzunehmen, dass der Gültigkeitsbereich der Theorie, des Modells verlassen wird? Im Spezialfall: Mit welcher Wahrscheinlichkeit trifft die Theorie zu? [22]

Selbstverständlich existiert stets die Möglichkeit, dass man Gefahren über- oder unterschätzt, sowohl was das Schadensausmaß als auch was die Umstände des Eintretens betrifft. Diese grundsätzliche erkenntnistheoretische Ungewissheit lässt sich nicht auf null reduzieren. Bei einer rein possibilistischen Betrachtungsweise kann man nie mit absoluter Sicherheit ausschließen, dass eine bestimmte Theorie (oder ein Modell), gemäß der eine bestimmte Gefahr unmöglich existiert, gerade in dem in Betracht kommendem Extrembereich versagt. Damit öffnet sich aber ein praktisch unendlich großes Feld für wilde Spekulationen. [23] – Hier zeigen sich die Grenzen eines rein possibilistischen Ansatzes. Denkmöglich, abstrakt vorstellbar ist stets zu viel.

Existentielle Gefahren sind prinzipiell zu vermeiden. Das schließt eine Priorisierung aus, und somit erübrigt sich auch jede Wahrscheinlichkeitsbetrachtung. Zudem existiert bei den meisten anthropogenen Gefahren überhaupt kein empirisches Verfahren, um Wahrscheinlichkeiten zu bestimmen. [24] Dennoch soll hier ein kurzer Blick auf die mit Wahrscheinlichkeiten verbundenen Aspekte geworfen werden.

Wahrscheinlichkeiten können dann einigermaßen verlässlich abgeschätzt werden, wenn empirisch abgesicherte Modelle oder eine Basis von historischen Daten oder von vergleichbaren Fällen vorliegen, sich also Häufigkeiten empirisch ableiten lassen. Mit Ausnahme von DS 0, dem Zusammenbruch einzelner Staaten oder Gesellschaften, fehlt eine solche Basis, und selbst hier trägt sie den Charakter von heterogenen, wenn auch aufschlussreichen Einzelfällen (Diamond 2006). Eine allumfassende Katastrophe hat – entgegen den Überlieferungen in manchen Religionen – noch nie die gesamte Menschheit betroffen. [25] Alle Wahrscheinlichkeitsaussagen zu DS 1, einem Rückfall der Menschheit in ein vormodernes Entwicklungsstadium, können also nur auf Analogieschlüssen, Hypothesen über die Wahrscheinlichkeit von auslösenden Ereignissen (Kriege, soziale Spannungen, technische oder ökologische Katastrophen) und Hypothesen über Niedergangsszenarien einschließlich eventueller Resilienzeffekte aufbauen. Aussagen sind hier stets in mehr oder weniger hohem Maße spekulativ und an konkrete Szenarien gebunden.

Bei nichtanthropogenen, kosmischen oder terrestrischen Gefahren besteht dagegen eine etablierte Datenlage von Beobachtungen. So lässt sich zum Beispiel sehr gut abschätzen, in welchen Zeiträumen mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Asteroid bestimmter Größe mit der Erde kollidiert. Für einen Asteroiden von der Größe dessen, der das Ende der Kreidezeit herbeiführte, liegt die Wahrscheinlichkeit in der Größenordnung von 1 Impakt pro 100 Millionen Jahre. Es wird geschätzt, dass ein Asteroid, vergleichbar dem, der 1908 in Sibirien aufschlug (Tunguska-Ereignis), die Erde etwa alle 200 bis 2000 Jahre trifft (Napier 2008: 229). Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Impakts „von mittlerer Größe“ als solche sagt allerdings wenig aus, der Einschlagort ist entscheidend und über die geophysikalischen, atmosphärischen, ökologischen etc. Wirkungsketten herrscht eine weitgehende Ungewissheit. [26]

3.4. Vermeidbarkeit

Aus Handlungsperspektive ist erstens entscheidend, ob eine Gefahr überhaupt abgewendet werden kann, wenn auch vielleicht nur unter einem enormen, im Einzelfall präzedenzlosen Mitteleinsatz, oder ob sie die Menschheit als ein fatales finales Unglück trifft (Frage der Vermeidbarkeit). In dem Falle, dass Gegenmaßnahmen überhaupt möglich sind, ist danach zu fragen, ob die Gefahr sofortige oder wenigstens sehr kurzfristige Maßnahmen erzwingt oder ob noch abgewartet werden darf, etwa bis verlässlichere Informationen vorliegen, also Ungewissheiten reduziert werden können (Frage der Dringlichkeit). Dringlichkeit wird damit zu einem beschreibenden Merkmal und stellt eine mögliche, mitunter unabdingbare Folge von Vermeidbarkeit dar. Extrem dringlich heißt: „Die Zeit reicht gerade noch.“ Die Zeitspanne, bis das katastrophale Ereignis eintritt bzw. irreversible Folgen hinterlässt, ist gerade eben noch ausreichend für Vorbereitungen bzw. Gegenmaßnahmen. Als ein Kriterium für die Dringlichkeit kann man daher, Lenton et al. (2019) folgend, das Verhältnis der für Vorbeugung und Schadensbegrenzung benötigten Zeit bis zu der Frist, zu der das Ereignis voraussichtlich eintrifft, verwenden. Ein Problem dieser Definition liegt in dem Wort „voraussichtlich“. Es ist geradezu typisch für existentielle Gefahren, dass sich ein Zeitpunkt für deren Eintreten, wenn überhaupt, nur sehr schwer abschätzen lässt. Dies gilt gleichermaßen für die Frage der Vermeidbarkeit, welche mit der Dringlichkeit korreliert bzw. sogar die Dringlichkeit bedingt. Der Schaden ist nur dann vermeidbar, wenn die Dringlichkeit der Gefahrenbekämpfung erkannt wird. Ein eskalierender militärischer Konflikt plus Fehlinterpretationen von Frühwarnmeldungen durch eine der Seiten kann quasi über Nacht zu einem nuklearen Schlagabtausch führen. Ein Komet kann trotz ständiger Himmelsüberwachung innerhalb sehr kurzer Zeit nach seiner Entdeckung einschlagen. Sehr wahrscheinlich ist beides nicht, wohl aber prinzipiell möglich. Auch hier zeigen sich wieder Vor- und Nachteile einer rein possibilistischen Herangehensweise: Orientiert man sich nur am frühestmöglichen Eintreten, müsste fast jede existentielle Gefahr weit oben auf einer wie auch immer gearteten Dringlichkeitsskala figurieren.

Bei der Betrachtung von Vermeidbarkeit sind im Einzelnen folgende Aspekte relevant:

  • Frühwarnung: Gibt es Vorzeichen oder Indikatoren, aus denen sich ein Anwachsen der Gefahr bzw. ein Herannahen der Katastrophe ableiten lässt? Kann sich das katastrophale Ereignis schon heute ereignen oder wird aller Voraussicht nach noch eine gewisse (oder längere) Zeit verstreichen?

  • Erfolgt die finale Katastrophe in einem sehr kurzen Zeitraum oder wird durch das auslösende Ereignis eine über einen längeren Zeitraum anhaltende Kaskade von Entwicklungen (gegebenenfalls im Sinne einer Niedergangsspirale) in Gang gesetzt?

  • Sind bei heutigem Stand von Gesellschaft, Wirtschaft und Technik adäquate Gegenmaßnahmen (von Prävention bis Schadensbegrenzung) möglich?

  • Welche Relevanz hat die Gefahr im sozio-kulturellen Diskurs? Welche Aufmerksamkeit schenken Medien und Wissenschaft, Politik und Gesellschaft der Gefahr?

4. Vorschlag einer Landschaft der existentiellen Gefahren

Im Folgenden wird der Versuch unternommen, die Gefahren in ein Gesamtschema einzuordnen und dabei die Landschaft der existentiellen Gefahren zu erkunden.

Hierfür wird auf die zuvor eingeführten Kategorien „Ungewissheit“ und „Vermeidbarkeit“ zurückgegriffen. Die zuvor ebenfalls eingeführte Kategorie „Schadensausmaß“ hingegen wird in der Darstellung als Konstante betrachtet, da alle Gefahren erfasst werden, die DS 3 oder höher erreichen können. Es interessieren uns damit nur – um im Bild zu bleiben – die Gipfel in dieser Landschaft, d. h. Gefahren mit einem Schadensausmaß ab „biologisches Erlöschen der Art Homo sapiens“, also die Katastrophen, die die Existenz der Menschheit in Frage stellen. Die vormals eingeführte Kategorie „Wahrscheinlichkeit“ wird nicht weiter expliziert, da existentielle Gefahren prinzipiell, d.h. unabhängig von der Wahrscheinlichkeit ihres Eintreffens - die in der Regel auch nicht bestimmbar ist – zu vermeiden sind.

Dimension 1: Vermeidbarkeit

Die horizontale Achse (Dimension Vermeidbarkeit) thematisiert die Handlungsoptionen: Ist eine Gefahr prinzipiell – und sei es durch vereinte Anstrengungen der Menschheit – abwendbar (Vermeidung) oder zumindest in ihren Wirkungen beeinflussbar (Vorbereitung auf die und Bewältigung der Katastrophe) oder trifft die Katastrophe die Menschheit schicksalhaft und ohne Chancen für Gegenmaßnahmen (Unvermeidbarkeit)? Wie dringlich sind Handlungen einzuleiten, um eine Vermeidbarkeit zu erzielen, wenn diese möglich ist? [27]

Vermeidbarkeit zielt auf die Einschätzung der Vermeidung der Gefahr entweder durch Abwendung eines Ereignisses, welches zur der Auslöschung menschlicher Existenz führen könnte, oder durch die Begrenzung der Folgen dieses Ereignisses. Die Bewertung der Skala orientiert sich am Niveau der notwendigen Anstrengung und schließt dabei die Dringlichkeit des Handelns mit ein. In Klammern geben wir die bei der Codierung benutzten Werte an.

Die Vermeidbarkeit dieser Gefahr ist …

  • sehr hoch (1):
    Die Vermeidung der Gefahr ist durch vergleichsweise geringen Aufwand (etwa durch Forschung, Gesetzgebung, Richtlinien, globale Übereinkommen) möglich. Nur geringe Dringlichkeit.

  • hoch (2):
    Die Vermeidung der Gefahr ist durch vorbeugende Maßnahmen überschaubaren globalen Maßstabs (internationale Standardprozeduren im Rahmen etablierter oder neu zu gründender Organisationen mit entsprechenden Finanzierungsinstrumenten) abzuwenden. Mäßige Dringlichkeit.

  • mittel (3):
    Die Vermeidung der Gefahr ist durch global abgestimmtes, konsequentes und aufwendiges Handeln, welches über das Maß von Standardverfahren hinaus geht, möglich. Relativ hohe Dringlichkeit.

  • gering (4):
    Die Vermeidung der Gefahr ist nur durch sofortige, konsequente, lang anhaltende und intensive globale Anstrengungen möglich. Sehr hohe Dringlichkeit.

  • sehr gering (5):
    Die Vermeidung der Gefahr ist nur durch sofortige und lang anhaltende, extrem intensive globale Anstrengungen (unter Einsatz aller Ressourcen) gerade noch erreichbar („Grenzbereich“). Höchste Dringlichkeit.

  • nicht möglich (6):
    Keine heute vorstellbare Anstrengung kann die Gefahr abwenden oder ihre Folgen merklich minimieren.

Dimension 2: Ungewissheit

Die Dimension „Ungewissheit“ (vertikale Achse) beschreibt daher die Qualität des Wissens: von gesichertem, empirisch belegtem Wissen mit wohldefinierten, meist quantifizierten Unsicherheiten über plausible Annahmen, die in Teilen empirisch untermauert sind aber mindestens partiell in Frage gestellt werden können, und über gut begründete Vermutungen beispielsweise zu Ausbreitungsmechanismen (etwa Reaktionen von Politik, Gesellschaft, Wirtschaft), die mit beträchtlichen Ungewissheiten behaftet sind, bis hin zu bloßen Spekulationen mit mehr oder weniger abstrakten Denkmöglichkeiten, was mit Nichtwissen gleichzusetzen ist.

Ungewissheit umfasst die Qualität und Quantität des verfügbaren Wissens zur Bewertung und Einschätzung der Gefahr. In Klammern geben wir die bei der Codierung benutzten Werte an.

Das Ausmaß an Ungewissheit gegenüber dieser Gefahr ist …

  • sehr gering (1):
    Es existiert belastbares bzw. gesichertes Wissen, beruhend auf umfassenden wissenschaftlichen Erkenntnissen und/oder vielfältigen empirischen Erfahrungen, das sichere Aussagen über die Gefahr, die Umstände ihres Eintretens und zu Folgen bzw. Ausbreitungsmechanismen zulässt.

  • eher gering (2):
    Es existiert relativ gesichertes, in Grenzen belastbares Wissen, beruhend auf wissenschaftlichen Theorien und/oder empirischen Erfahrungen, das einigermaßen sichere Aussagen über die Gefahr, die Umstände ihres Eintretens und zu Folgen bzw. Ausbreitungsmechanismen zulässt.

  • mittel (3):
    Es existiert systematisch hergeleitetes, empirisch begründetes Wissen, welches verschiedene, plausible Annahmen zu Umständen des Eintretens der Gefahr und zu möglichen Verläufen der Ausbreitung zulässt.

  • groß (4):
    Es existieren durch sachliche Argumente oder Analogien gestützte Vermutungen über die Gefahr, Umstände ihres Eintretens und möglichen Folgen bzw. Verläufe der Ausbreitung, zu denen allerdings nur wenige empirische Belege anzuführen sind.

  • sehr groß (5):
    Bei der Gefahr handelt es sich um eine theoretische Spekulation, wonach diese Gefahr nicht absolut ausgeschlossen ist und sich konkrete Bedingungen ihres Eintretens (und für die Ausbreitung ihrer Wirkungen) angeben lassen, aber dafür kaum empirische Belege gegeben sind.

  • prinzipielles Unwissen (6):
    Bei der Gefahr handelt es sich um eine rein theoretische, hypothetische Spekulation, deren prinzipielle Möglichkeit im besten Falle strittig ist.

4.1. Die Landschaft aus Expertensicht

Um die existentiellen Gefahren einordnen und gegebenenfalls in Clustern organisieren zu können, haben wir ausgewählte Experten und Expertinnen gebeten, die genannten Gefahren anhand der vorliegenden Dimensionen „Ungewissheit“ und „Vermeidbarkeit“ zu bewerten. Hierzu wurden sie gebeten alle existenziellen Gefahren auf den vorangegangen beschriebenen Abstufungen der jeweiligen Dimensionen einzuschätzen. Dabei ließ sich zugleich das Konsensniveau bestimmen, womit wir auch ein Qualitätsmaß für die Zuordnung erhielten. Zudem wurde den Experten die Möglichkeit gegeben, ihre Einschätzungen zu jeder Gefahr qualitativ in einem Textfeld zu begründen.

Als Expertin und Experte wird verstanden, wer Verantwortung trägt für den Entwurf, die Implementierung oder die Kontrolle einer Problemlösung und/oder wer über einen privilegierten Zugang zu Informationen über spezifische Sachverhalte verfügt (Meuser/Nagel 2002). Die von uns angesprochenen Expertinnen und Experten können auf Basis ihres spezifischen Praxis- oder Erfahrungswissen dazu beitragen, mit ihren Deutungen das vorliegende Handlungsfeld zu strukturieren. In der Studie wurden also Interpretationen, Deutungen, Sinnentwürfe und Erklärungsmuster der Expertinnen und Experten adressiert und nicht, ob sie in einem spezifischen Gefahrenbereich über Kenntnisse der naturwissenschaftlichen Zusammenhänge verfügen (Bogner et al 2014). Die Expertinnen und Experten stammen aus dem Feld der Sicherheits- und Bevölkerungsschutzforschung sowie dem behördlichen Bevölkerungsschutz und verfügen jeweils über mehrere Jahre Berufserfahrung in ihren Bereichen. Alle Angaben waren freiwillig. Den Expertinnen und Experten wurden alle Gefahren vorgelegt, und sie wurden um eine Einschätzung dieser hinsichtlich der beiden zuvor genannten Dimensionen gebeten (diese wurden im Vorfeld einführend erläutert). Darüber hinaus konnten freie Kommentare zu jeder existentiellen Gefahr abgegeben werden.

Die Einladungen zur Umfrage wurden am 1. Juli 2020 versandt (Reminder am 6. Juli). Von den zehn eingeladenen Experten habe sich sieben an der Befragung beteiligt und zu fast allen Gefahren auch inhaltliche Kommentare abgegeben.

Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem bei den anthropogenen Gefahren ein relativ hohes Maß an Dissens sowohl hinsichtlich der Ungewissheit als auch hinsichtlich der Vermeidbarkeit herrschte. Insbesondere bei hochgradig spekulativen Gefahren (Hochenergieexperimente, Posthumane Wesen, Superintelligenz) waren die Experten buchstäblich geteilter Meinung; ebenso differierten die Meinungen bei der Gefahr eines Verlusts der menschlichen Fortpflanzungsfähigkeit und bei Gefahren durch Nanotechnologien (vgl. dazu auch die Kommentare der Experten). Ein hohes Maß an Dissens unter den Experten kann als Ungewissheit, die in Bezug auf eine bestimmte Gefahr existiert, interpretiert werden und unterstreicht unsere grundlegenden Überlegungen.

Ein hohes Konsensniveau gab es hinsichtlich der sehr geringen Vermeidbarkeit von bestimmten kosmischen Gefahren, sowie bei Geo-Gefahren und einem Öko-Kollaps. Bei der Gefahr eines „Endes der Simulation“ waren sich die Experten einig, dass es sich um eine rein hypothetische Spekulation handelt.

Obwohl bei lediglich sieben Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine statistische Auswertung nur sehr bedingt Aussagen erlaubt, geben wir nachstehend die gerundeten Mittelwerte (M) wieder. Sie dienen der Orientierung. Des Weiteren berichten wir die Spannweite (Range, R), welche den Abstand zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Wert darlegt und als Streuungsmaß und somit als Indikator für Dissens und Konsens interpretiert werden kann.

Tabelle 1: Experteneinschätzung zu Ungewissheit und Vermeidbarkeit der existentiellen Gefahren (Mittelwerte, Spannweite (Range)

Existentielle Gefahr

Ungewissheit

Vermeidbarkeit

M

R

M

R

Nuklearer Holocaust

2,5

4

2,5

3

Künstliche Pandemie

3,3

3

2,3

3

Verlust der menschlichen Fortpflanzungsfähigkeit

2,6

3

1,9

4

Nahe Supernova

5,0

3

5,7

1

Extreme Pandemie

2,0

2

3,6

2

Impakte

3,3

4

4,7

3

Ökologischer Kollaps

2,3

3

4,3

2

Kontakt mit extraterrestischen Intelligenzen

5,6

1

5,6

2

Ende der Simulation

6,0

0

5,8

1

Posthumane Wesen

4,7

5

3,0

5

Verlust des Erdmagnetfeldes

3,9

4

5,4

2

Veränderte Sonnenaktivität

4,7

2

5,9

1

Vagabundierendes schwarzes Loch

5,7

1

6,0

0

Superintelligenz

4,3

5

3,4

5

Geomagnetischer Sturm

4,1

3

5,9

1

Gammablitz

5,0

2

5,9

1

Hochenergieexperimente

4,2

5

2,4

5

Biogefahr aus dem Kosmos

4,9

3

4,2

5

Ausbruch eines Supervulkans

3,0

4

5,5

2

Nanotechnologie

3,8

5

2,6

4

Anmerkung: Skala „Ungewissheit“: 1 = sehr gering; 6 = prinzipielles Unwissen

Skala „Vermeidbarkeit“: 1 = sehr hoch; 6 = nicht möglich.

Anhand der Mittelwerte der Expertenbewertungen ergibt sich das nachstehende Bild (siehe Abbildung 1) der Landschaft der existentiellen Gefahren. Die Namen der Gefahren, bei denen mindestens einer der Ranges die Durchschnittswerte (3,1 für Ungewissheit, 2,7 für Vermeidbarkeit) übersteigt – wo also mehr als das durchschnittliche Maß an Dissens in der Gruppe herrscht –, sind fett hervorgehoben.

Abb. 2: Landschaft der existentiellen Gefahren

Diese Landschaft weist klar erkennbare Strukturen aus:

Nicht anthropogene Gefahren zeichnen sich durch eine nur sehr geringe Vermeidbarkeit aus (Skalenwerte von 4 bis 6, entsprechend „gering“, „sehr gering“, „nicht möglich“). Die einzige Ausnahme ist die Gefahr einer extremen Pandemie.

Im Gegensatz dazu werden anthropogene Gefahren als eher vermeidbar beschrieben (Werte von 2 bis etwa 3,5, entsprechend „hohe“ bis „mittlere“ Vermeidbarkeit). Eine Ausnahme bildet hier die Gefahr eines ökologischen Kollapses (M = 4,3) mit geringer bis sehr geringer Vermeidbarkeit. [28]

Generell ist die Ungewissheit – auch als Ausdruck von unzureichendem Wissen bzw. fehlenden empirischen Daten – eher hoch. Bei sechs Gefahren (Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit, extreme Pandemie, ökologischer Kollaps, nuklearer Holocaust, Verlust des Erdmagnetfelds, Impakte) kann von eher geringer bis mittlerer Ungewissheit gesprochen werden. Hier liegen gemäß Definition der Bewertungskategorien zumindest plausible Annahmen vor.

Sämtliche vierzehn andere existentielle Gefahren sind dem Bereich der Vermutungen oder Spekulationen zuzuordnen. Die höchste Ungewissheit wird bei bestimmten kosmischen Gefahren gesehen. Den Extremwert nimmt die Gefahr eines „Endes der Simulation“ ein. Sämtliche Experten bewerteten sie als rein theoretische, hypothetische Spekulation.

Anhand der Bewertungen kann man die Gefahren in fünf übersichtliche Cluster einteilen, die jeweils unterschiedliche Typen von existentiellen Gefahren erfassen (siehe Abbildung 2):

Gefahrentyp 1: anthropogene existentielle Gefahren (hellblau markiert): Sie zeichnen sich durch eine große bis mittlere Vermeidbarkeit bei mittlerer bis hoher Ungewissheit aus.

Gefahrentyp 2: ökologische Gefahren (hellgrün markiert): Eher geringe Ungewissheit bei geringer Vermeidbarkeit. Hierunter fallen eine extreme Pandemie und der ökologische Kollaps.

Gefahrentyp 3: Geo-Gefahren (blau markiert): Bei den beiden Gefahren dieses Typs (Ausbruch eines Supervulkans, Verlust des Erdmagnetfelds) ist die Vermeidbarkeit sehr gering bis nicht gegeben. Die Ungewissheit bewegt sich im mittleren Bereich (plausible Annahmen, durch Argumente gestützte Vermutungen).

Gefahrentyp 4: Kosmische Gefahren I (braun markiert): Sowohl bei Biogefahren aus dem Kosmos als auch bei Impakten (Asteroideneinschläge) sehen die Experten immerhin noch ein gewisses, geringes bis sehr geringes Maß an Vermeidbarkeit. Dabei ist die Ungewissheit bei Impakten und ihren Wirkungen geringer – im Bereich der plausiblen Annahmen – als bei den eher spekulativ bewerteten kosmischen Biogefahren.

Gefahrentyp 5: Kosmische Gefahren II (rotbraun markiert): Ihr Kennzeichen ist die absolut geringe Vermeidbarkeit. Sie können bei heutigem Stand von Wissenschaft und Technik weder abgewendet noch in ihren Folgen minimiert werden. Allerdings ist auch die Ungewissheit sehr hoch: Es handelt sich im besten Fall um Vermutungen (dies bei der Gefahr eines geomagnetischen Sturms), in der Regel um theoretische bis rein hypothetische Spekulationen.

Abb. 3: Landschaft der existentiellen Gefahren mit Clustern

Zwei existentielle Gefahren, die extreme Positionen einnehmen, wurden keinem Cluster zugeordnet: die rein hypothetische Gefahr eines Endes der Simulation (die als philosophische Spekulation betrachtet werden kann) und die Gefahr eines Verlusts der menschlichen Fortpflanzungsfähigkeit, die von den Experten als vermeidbar bewertet wurde.

4.2. Qualitative Kommentare der Experten

Die Experten haben umfängliche Kommentare zu einzelnen existentiellen Gefahren angebracht, deren Kernpunkte im Folgenden kurz dargestellt werden sollen. Die Darstellung folgt dabei einer paraphrasieren Zusammenfassung im Sinne einer Inhaltsanalyse (Mayring 2015). In den Kommentaren haben die Experten ihre Bewertungen zum Teil begründet, aber insbesondere auch Anmerkungen zur öffentlichen und politischen Wahrnehmung der Gefahren und zur Handlungsrelevanz vorgebracht.

Gefahrentyp 1: Anthropogene Gefahren

Nuklearer Holocaust

Die Experten konstatieren trotz hinreichenden Wissens um die katastrophalen Folgen ein wachsendes Risiko – bei zu geringer öffentlicher und politischer Wahrnehmung.

  • „Die Spielregeln der bipolaren Blockkonfrontation, die der nuklearen Bedrohung eine gewisse Stabilität gaben, gelten nicht mehr. Die neuen Akteure der sich anbahnenden multipolaren Konfrontation haben noch keine neuen Spielregeln entwickelt, keine gesonderten Gesprächskanäle etabliert oder andere Formen der rechtzeitigen Deeskalation eingeübt. Daher ist das Risiko einer nuklearen Eskalation, sei es aus Versehen oder aus Misperzeption ernsthaft gegeben.“

  • „Im Bewusstsein der Bevölkerung ist diese Gefahr nicht existent und nur wenige Politiker kümmern sich um dieses Thema. Auch die Medien nehmen sich dieses Themas kaum an.“

Künstliche Pandemie

Hier verweisen die Experten auf gut etablierte Sicherheitsstandards und derzeit noch hohe Zugangsschwellen zu entsprechenden Technologien.

  • „Eine Mortalität von nahezu 100% ist empirisch eher unbekannt. Das Szenario verweist daher eher auf Hysterie.“

  • „Es besteht meiner Meinung nach auch eher eine terroristische als eine militärische Gefahr, da durch hohe Infektiosität auch die eigenen Kräfte infiziert werden können.“

Posthumane Wesen

  • „Da das Szenario extrem hypothetisch ist, sind keine Angaben über die Vermeidbarkeit möglich.“

Hochenergieexperimente

Die Experten betrachten diese extremen Folgen von Hochenergieexperimenten als eine „nette theoretische Spekulation“ für die aktuell kein Handlungsbedarf besteht.

  • „Es ist schon sehr bezeichnend (im Sinne von Selbstüberschätzung oder Vermessenheitsverzerrung), wenn jemand davon ausgeht, dass menschliche Experimente gleich zur Vernichtung des Universums und aller uns bekannten Strukturen führen können.“

  • „Projekte wie CERN erfordern einen erheblichen Einsatz von Wissens- und Finanzressourcen über Jahre hinweg. Leisten können sich solche Projekte nur wenige Staaten, die über überdurchschnittlich ausgeprägte Governance-Fähigkeiten verfügen. Politische Regulierung sollte daher vergleichsweise einfach möglich sein.“

Superintelligenz

  • „Notwendige technologische Entwicklungen liegen noch in weiter Ferne. Dennoch ist es wichtig, diese Szenarien frühzeitig in der KI Ethik zu berücksichtigen. Aktuell aber nur mäßige Dringlichkeit – je nach der Geschwindigkeit in der Forschung anzupassen. Die Ungewissheit ist sehr groß, da das Szenario aktuell eher im Bereich der Spekulation angesiedelt werden muss, aber Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit KI fundiert diskutiert werden können.“

Nanotechnologie

  • „Die Technologie ist noch zu neu und zu wenig diskutiert, gerade auch mit Blick auf realistische Risiken und Gefahren.“

  • „Da es um anthropogene Gefahren geht und die Forschung noch weit weg von der Entwicklung ist, besteht prinzipiell die Möglichkeit der Selbstregulierung in der Forschung.“

Gefahrentyp 2: Ökologische Gefahren

Extreme Pandemie

Einigkeit besteht bei den Experten darüber, dass selbst wenig extreme Pandemien (wie Covid-19) massive Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft haben können.

  • „Da Pandemien bei einer Durchseuchung von 70% normalerweise zum Stillstand kommen, ist eine vollständige Auslöschung der Menschheit selbst bei dem tödlichsten Virus höchst unwahrscheinlich. Allerdings wird die Zivilisation, wie wir sie kennen, damit beendet sein.“

  • „Die Vermeidbarkeit scheint mir zwar hoch, das bedeutet aber nicht, dass nur mäßige Dringlichkeit besteht.“

Ökologischer Kollaps

Auch in den Kommentaren zeigt sich hier ein gewisser Dissens. Während der eine Experte darauf verweist, dass diese Gefahr zunehmend öffentlich breit diskutiert wird, betrachtet ein anderer das Thema als „weitgehend ausgeblendet“.

  • „Vor allem im Bereich Klimawandel gibt es schon sehr gute und multidisziplinäre Forschung. Gerade weil die Folgen nicht in der unmittelbaren Zukunft liegen und Rückkopplungen und dynamische Systeme von Menschen schwer eingeschätzt werden können, besteht dringender Handlungsbedarf. Schwierigkeit besteht in der Konsensfindung über den Weg.“

Gefahrentyp 3: Geogefahren

Ausbruch eines Supervulkans

  • „Auf der Wissens-Seite bestehen mit Blick auf die Vorhersehbarkeit eines solchen Ereignisses Lücken, weniger mit Blick auf die Folgen.“

  • „Das ist denkbar, aber schon deshalb nicht zu verhindern, weil Menschen auf vulkanische Aktivitäten nur reagieren können (oder präventiv wegziehen).“

Verlust des Erdmagnetfeldes / Geomagnetischer Sturm

Bei diesen beiden Gefahren wird die Handlungsrelevanz hinterfragt.

  • „Auswirkungen von Sonnenstürmen (oder auch EMP) auf Strominfrastruktur sind prinzipiell bekannt.“

  • „Derzeit ist die Vermeidbarkeit z. B. bei einem geomagnetischen Sturm in den kommenden Jahren sehr gering! Nur wenige Menschen in der Politik und der breiten Öffentlichkeit sind sich des Ausmaßes eines solchen Ereignisses bewusst.“

  • „Da die modernen heutigen von Strom und IT vital abhängigen Gesellschaften dies noch nie erlebt haben, wird die Gefahr nicht gesehen.“

Gefahrentyp 4: Kosmische Gefahren I

Impakte

  • „Derzeit ist die Chance einer Vermeidung eines Impacts gering ggf. sogar sehr gering. Dies kann sich aber in den kommenden Jahren durch entsprechende Programme der Weltraum-Nationen ändern. Die Auswirkungen und dass es zu einem solchen Ereignis kommen kann, sind in der Politik und der breiten Öffentlichkeit eher nicht bekannt.“

  • „Lediglich technologischer Fortschritt, der es ermöglicht, Himmelskörper frühzeitig zu erkennen und durch Raketen o. ä. von der Bahn abzulenken, könnte den Eintritt großer Himmelskörper verhindern. Dafür wäre noch eine immense technologische Entwicklung notwendig.“

Biogefahr aus dem Kosmos

Die Experten verweisen auch hier auf den spekulativen Charakter – und darauf, dass es auf diesem Gebiet seit vielen Jahren Forschungen gibt (Exobiologie).

  • „Dafür müsste dieser [außerirdische] Keim erst einmal unsere Viren/Keime/Bazillen und Umwelt überstehen. Wenn er aber unserem Leben so ähnlich ist, dass er hier überleben und wirken kann, müssten wir ihn auch erkennen und bekämpfen können.“

Gefahrentyp 5: Kosmische Gefahren II

Kontakt mit extraterrestischen Intelligenzen

Die Experten betrachten den Kontakt selbst und die von diesen ausgehenden Gefahren als hoch spekulativ bzw. als reine Gedankenspiele.

  • „Sofern es keinen Anhaltspunkt für (theoretisch denkbare) extraterrestrische Intelligenzen gibt, sehe ich keine ernsthaften Handlungsprobleme.“

Generell wird seitens der Experten bei kosmischen Gefahren die Relevanz für praktisches politisches Handeln hinterfragt. Dies trifft insbesondere zu für:

Vagabundierendes schwarzes Loch

Veränderte Sonnenaktivität

Nahe Supernova

Gammablitz

  • „Beeinflussbarkeit astronomischer Ereignisse nicht gegeben. Ungewissheit sehr groß.“

  • „Was haben solche Szenarien mit menschlichen Handlungsmöglichkeiten zu tun?“

Sonstige Gefahren:

Verlust der menschlichen Fortpflanzungsfähigkeit

  • „Auch wenn die Verschlechterung der Samenqualität zu beobachten ist, befindet sich das genannte Szenario im hypothetischen Bereich. Generell werden Maßnahmen der künstlichen Fortpflanzung hier Gegenmaßnahmen ermöglichen.“

Ende der Simulation

Die Experten kommentieren dies als ein reines, hoch spekulatives Gedankenspiel ohne Handlungsrelevanz.

4.3. Schlussfolgerungen

Die unterschiedlichen Typen von existentiellen Gefahren erfordern jeweils eigene Herangehensweisen in der Forschung und mehr noch bei Gegenmaßnahmen. Zusammenfassend werden alle Gefahrentypen noch einmal dargestellt:

  1. anthropogene Gefahren

  • Künstliche Pandemie

  • Hochenergieexperimente

  • Nuklearer Holocaust

  • Posthumane Wesen

  • Nanotechnologie

  • Superintelligenz

Die zu dieser Gruppe zählenden existentiellen Gefahren können prinzipiell vermieden bzw. abgewendet werden. Sie sind sämtlich mit mittlerer bis hoher Ungewissheit verbunden. Obwohl sie in der Regel grundsätzlich bekannt sind und auch zumindest in Expertenkreisen debattiert werden, fehlt bei ihnen teilweise das öffentliche Bewusstsein (etwa bei Nuklearer Holocaust) und damit auch der Handlungsdruck.

  1. ökologische Gefahren

  • Extreme Pandemie

  • Ökologischer Kollaps

Beide Gefahren sind im Prinzip gekannt und werden gelegentlich öffentlich debattiert. Sie zeichnen sich durch eine eher geringe Ungewissheit bei einer geringen Vermeidbarkeit aus. Auch hier ist eine stärkere öffentliche Debatte um Wege zur Vermeidung sinnvoll.

  1. Geo-Gefahren

  • Ausbruch eines Supervulkans

  • Verlust des Erdmagnetfelds

Beide Gefahren dieses Typs können nach derzeitigem Stand nicht vermieden werden, auch die Möglichkeiten einer Vorsorge sind beschränkt. Die Ungewissheit bewegt sich im mittleren Bereich (plausible Annahmen, durch Argumente gestützte Vermutungen). Sie sollte durch verstärkte Forschungsanstrengungen reduziert werden.

  1. Kosmische Gefahren I:

  • Biogefahren aus dem Kosmos

  • Impakte

Sowohl bei Biogefahren aus dem Kosmos als auch bei Asteroideneinschlägen sehen die Experten immerhin noch ein gewisses, allerdings geringes bis sehr geringes Maß an Vermeidbarkeit. Dabei ist die Ungewissheit bei Impakten und ihren Wirkungen geringer – im Bereich der plausiblen Annahmen – als bei den eher spekulativ bewerteten kosmischen Biogefahren. Hier sind explorative Forschungen zu langfristig möglichen Gegenmaßnahmen angezeigt.

  1. Kosmische Gefahren II:

  • Veränderte Sonnenaktivität

  • Geomagnetischer Sturm

  • Gammablitz

  • Vagabundierendes schwarzes Loch

  • Kontakt mit extraterrestrischen Intelligenzen

  • Nahe Supernova

Die kosmischen existentiellen Gefahren dieses Typs tragen einen fatalen Charakter: Sie können bei heutigem Stand von Wissenschaft und Technik weder abgewendet noch in ihren Folgen minimiert werden. Allerdings ist auch die Ungewissheit sehr hoch: Es handelt sich im besten Fall um Vermutungen, in der Regel um theoretische bis rein hypothetische Spekulationen. Entsprechend fehlt ein akuter Handlungsdruck für Prävention oder Schadensbegrenzung. Dies schließt Forschungsanstrengungen jedoch nicht aus.

  1. Die „Outlier“

  • Ende der Simulation

Hierbei handelt es sich um eine rein theoretische Spekulation. Insofern besteht keine Handlungsrelevanz.

  • Ende der menschlichen Fortpflanzungsfähigkeit

Auch hier fehlt die Handlungsrelevanz.

4.4. Methodische Limitierungen

Auch wenn die Experten, die diese Studie unterstützt haben, eine generelle positive Bewertung in Bezug auf die Relevanz und Umsetzung vornehmen, gehen mit diesen Limitierungen einher.

Die Experten blicken als Bevölkerungsschutzexperten und Risikoforscher auf die in diesem Beitrag skizzierten Gefahren. Sie sind nicht unbedingt Experten für die jeweiligen Typen, sondern haben eine Metaperspektive, insbesondere wenn es darum geht, mit allen Gefahren gleichermaßen umzugehen bzw. zu Priorisierungen im Hinblick auf das Risikomanagement zu gelangen.

Die Anzahl der Experten ist in der Spezifik des Themas und dem hohen Grad der Expertise begründet. Zudem war gefordert, sich auch qualitativ zu positionieren. Eine Verallgemeinerbarkeit besteht daher nur für den Gegenstandsbereich, wie er in dieser Studie beschrieben wurde.

Die statistischen Werte sind in ihrer Aussagekraft begrenzt, da insbesondere Mittelwerte zu Verzerrungen bei Ausreißern und Extremwerten neigen. Gleichwohl sind sie in der vergleichenden Betrachtung am dienlichsten. Die Abweichungen der einzelnen Werte wurden daher ebenso berichtet.

Die in der empirischen Erhebung verwendeten Dimensionen „Ungewissheit“ und „Vermeidbarkeit“ sind Ergebnis einer theoretischen Verdichtung. Die Ausprägungen der Dimensionen sind zudem qualitativ differenziert und nicht lediglich mit einer numerischen Angabe oder einer Bewertung wie beispielsweise „zutreffend“ oder „nicht zutreffend“ versehen worden. Es ist daher auch denkbar die Bewertung existenzieller Gefahren weitaus feiner und differenzierter vorzunehmen und statt zweier Dimensionen, die relative komplexe Konstrukte umfassen, mehrere Variablen mit differenzierten, konkreteren Inhalten zu erheben. Hier zeigt sich ein Ansatzpunkt für künftige verfeinerte Bewertungsraster.

Inwiefern die aktuelle Pandemie-Situation einen Einfluss auf die Bewertungen hatte, konnte – angesichts der geringen Anzahl der Experte und des festgelegten Umfragezeitpunkts – nicht nachverfolgt werden. Es wird jedoch unterstellt, dass die Befragungsteilnehmer aufgrund ihrer Erfahrung in der Lage sind, diesen möglichen Bias kritisch zu reflektieren und vor dem Hintergrund ihrer Bewertungen weitestgehend auszuschließen.

5. Fazit

Die Liste der existentiellen Gefahren für die Menschheit ist lang und umfasst ein breites Spektrum von möglichen Katastrophen mit den unterschiedlichsten, teils anthropogenen, teils nicht anthropogenen Ursachen und mit einer ebenso großen Vielfalt von potenziellen Verläufen bis zum fatalen Ende. All diese Gefahren, selbst die hochgradig spekulativen, bedürfen der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit, der wissenschaftlichen Befassung und der politischen Berücksichtigung. Dafür kann diese Studie allenfalls einige Anregungen geben.

Allerdings lassen sich aus dem hier vorgenommenen Überblick und der groben Einordnung einige Schlussfolgerungen ziehen:

1. Existentielle Gefahren sind soziale Konstruktionen.

Aus sozio-kultureller Perspektive gilt: Was wir als Gesellschaft als Gefahr betrachten, ist ein Konstrukt, ein Produkt von gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen, von Weltbildern und Interessen, die sich psychologisch in Befürchtungen und Hoffnungen, in Akten der Verdrängung oder Tabuisierung und der hysterischen Überhöhung ausdrücken. Sie sind sozial konstruiert. Dies gilt umso mehr für existentielle Gefahren, denn sie berühren Existentielles auch auf individueller Ebene. Daher sind sie in hohem Maße emotionsbesetzt und mit Imaginationen aufgeladen. Eine wissenschaftliche Probe auf den Realitätsgehalt der Gefahren findet unter dieser gesellschaftlichen und individuellen Rahmensetzung statt. Je nach dem Maß der sozio-kulturellen Aufladung sind bestimmte existentielle Gefahren – wie am Beispiel des Klimawandels deutlich wird – Gegenstand des gesellschaftlichen Meinungsstreits, andere jedoch fallen aus dem Diskurs weitgehend heraus. Der sozialen Konstruktion folgt in der öffentlichen Aushandlung noch eine andere Herausforderung: So ist denkbar, dass Themen oder Entwicklungen zu existentiellen Gefahren erhoben werden, obwohl nachweislich andere Erkenntnisse vorliegen, z. B. wenn im Zuge von Debatten zu Migrationsbewegungen die Auslöschung ganzer Völker oder ein Ende der Zivilisation heraufbeschwören werden. Eine „neutrale, objektive Gleichbehandlung“ bleibt theoretisch wie praktisch unerfüllbares Desiderat.

2. Ungewissheit ist die zentrale Kategorie.

Gefahr heißt Kontingenz; existentielle Gefahren als potenzielle finale Katastrophen bedeuten auch die größtmögliche, weil die gesamte Menschheit umfassende Kontingenz. Kontingenz konkretisiert sich in Ungewissheiten, die je nach Typ der existentiellen Gefahr unterschiedlich ausfallen können.

Bei existentiellen Gefahren vom Typ Geo-Gefahren stehen empirische Ungewissheiten im Vordergrund: ob Fakten und Faktoren, Wahrscheinlichkeiten und Zeiträume korrekt bestimmt sind bzw. sich überhaupt einigermaßen valide bestimmen lassen. – Derartige Fragen sind das Tagesgeschäft der Wissenschaft. Bei existentiellen Gefahren vom Typ Ökologische Gefahren potenziert sich die Problematik durch die Ungewissheiten über die systemischen Wirkungen, insbesondere über ökologische und gesellschaftliche Wirkungskaskaden. Alle existierenden Theorien und Modelle, Hypothesen und Annahmen erfahren ihre Probe erst im Falle des Eintretens der Gefahr, wenn die Prozesse im Fluss sind.

Anhand anthropogener Gefahren, die als schleichende Katastrophen bereits heute dabei sind, sich zu realisieren, wird deutlich, dass Ungewissheit eine normative bzw. ethische Komponente enthält. Akteure handeln auf Basis ihrer Interessen und ihrer Werte, die die Wahrnehmung der Gefahren und damit auch die gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse prägen – aber ihrerseits von den Diskursen beeinflusst werden. Im Rückgriff auf die Konstruiertheit von Gefahren bedeutet das auch, dass Maßnahmen ergriffen und als relevant konstruiert werden, die nur vermeintlich Wirkung entfalten können. Dies wird am Beispiel des Sicherheitsparadoxes deutlich: Der Versuch der Absicherung gegen mit Ungewissheit behafteter Gefahren führt zu einer Spirale, die neue, nicht intendierte Gefahren hervorbringen kann.

3. Als normatives Gebot gilt: Jede existentielle Gefahr für die Menschheit ist auszuschließen.

Bei sämtlichen existentiellen Gefahren handelt es sich um „verbotene Risiken“. Eine Priorisierung ist daher nicht angebracht, und schon gar nicht eine Priorisierung ausschließlich nach Wahrscheinlichkeiten oder nach Wahrscheinlichkeit samt Schadensausmaß. Insofern ist die im Versicherungswesen bevorzugte probabilistische Herangehensweise unangemessen. Gleichzeitig können nicht alle „denkbaren“ existentiellen Gefahren berücksichtigt werden, gegen alle Vorkehrungen zu treffen, ist schlicht unmöglich.

4. Eine Bewertung nach Dringlichkeit ist notwendig, aber nicht ausreichend.

Um Handlungsfähigkeit zu erzeugen, muss Kontingenz in handhabbare Komplexität überführt werden. Dazu ist es notwendig, Ungewissheiten offenzulegen und einzuordnen, und existentielle Gefahren nach der Dringlichkeit ihrer Bearbeitung einzuordnen. Aber auch hier gilt: Dringlichkeit allein kann nicht der Maßstab sein, denn die Wahrnehmung akuter, also kurzfristiger Handlungsnotwendigkeiten verdeckt oft den Blick auf langfristig sinnvolle Strategien zur Bewältigung von Kontingenz. Ein umfassender Ansatz ist gefordert.

In der Gesamtbetrachtung zeigt sich, dass in der Diskussion um existentielle Gefahren zwei Merkmale gelten: Wie beschrieben, handelt es sich um „verbotene Risiken“, da jede existentielle Gefährdung der Menschheit ausgeschlossen werden muss. Zugleich handelt es sich aber um „wicked problems“ – Unlösbarkeitsprobleme. [29] Ein völliger Ausschluss der Gefährdung ist aufgrund der in diesem Beitrag beschriebenen Charakteristika unmöglich. Und dennoch ist politisches und gesellschaftliches Handeln notwendig, um darüber zu entscheiden, wie mit den beschriebenen Gefahren unter den genannten Bedingungen umgegangen werden kann.

Die in der internationalen Community diskutierten existentiellen Gefahren werden von deutschen Experten sehr unterschiedlich bewertet. Sie zählen zu unterschiedlichen Typen hinsichtlich ihrer Vermeidbarkeit und hinsichtlich des Grades des Unwissens. Nur einige wenige der existentiellen Gefahren werden bislang öffentlich debattiert und politisch wahrgenommen.

Unsere Studie deutet an, dass expertenbasierte Gefährdungseinschätzungen und öffentliche Wahrnehmung oft weit auseinanderklaffen. Auch bietet das Ergebnis der Umfrage nur eine Momentaufnahme der Problemwahrnehmung. Die Mehrheit der – nicht rein spekulativen – existentiellen Gefahren ist zumindest in Expertenkreisen bekannt, doch schlägt sich der Handlungsdruck nicht in der öffentlichen Wahrnehmung und politischen Bearbeitung der Gefahr nieder (gravierendes Beispiel: Gefahr eines nuklearen Holocausts).

Insbesondere dort, wo eine erhebliche Ungewissheit besteht bzw. die Bewertungen der Experten weit differieren, besteht Forschungsbedarf – um die mehr oder weniger abstrakt gefasste Gefahr in ein konkret zu bearbeitendes Risiko zu transformieren. Ein erster Schritt dazu könnte ein Workshop mit ausgewählten Experten sein.

Es ist unsere Überzeugung, dass Analysen zu existentiellen Gefahren für die Menschheit auch wertvolle Impulse für den Umgang mit weniger gravierenden Gefahren liefern können, indem sie Relationen herstellen und zu einer sachlicheren Debatte in der Auseinandersetzung mit Risiken und Gefahren beitragen.

Das Feld ist damit aufgemacht, grundlegende Konzepte sind erläutert, ein Überblick verdeutlicht das weite Spektrum der existentiellen Gefahren für die Menschheit. In ihrer Gesamtheit stellen sie eine doppelte Herausforderung dar: in methodischer Hinsicht für die Forschung und in praktischer Hinsicht für die Politik.

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7. Danksagung

Existentielle Gefahren für die Menschheit sind per se ein spannendes Thema. Erste Anregungen dazu, sich systematisch mit diesem Thema zu befassen, erhielt einer von uns (K. S.) in den Jahren 2016 bis 2018 durch die intensiven Diskussionen in der Arbeitsgruppe „Mit Sicherheit mehr Sicherheit?“ der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Der entscheidende Anstoss für diese Studie kam aber erst am 27. September 2019 von Bernd Villwock, der auf dem Jahrestreffen des Netzwerks Zukunftsforschung in Berlin vor dem Hintergrund von „Fridays for Future“ und „Extinction Rebellion“ dem Netzwerk vorschlug, sich grundsätzlich mit existentiellen Zukunftsfragen – auch jenseits von Umwelt und Klima – zu befassen. Die Idee fand rege Zustimmung, letztlich aber führten nur wir beide das Thema weiter, zuerst mit reger Unterstützung durch Bernd Villwock, der in mehreren Treffen immer wieder die Bedeutung existentieller Zukunftsfragen auch aus Sicht des bürgergesellschaftlichen Engagements betonte.

Was ursprünglich als ein kurzer Artikel geplant war, wuchs und wuchs – mit jeder Ausweitung des Katalogs der existentiellen Gefahren, mit jeder neu entdeckten methodischen Fragestellung. Ohne die permanente Ermutigung durch Bernd Villwock hätten wir diese inzwischen recht umfängliche Arbeit wahrscheinlich nie vollendet. Insofern gebührt ihm ein mehrfaches Dankeschön: für die faktische, die gedankliche und für die moralische Unterstützung.

Insbesondere im Hinblick auf den methodischen Teil gebührt auch Edda Brandes und Nikola Tietze aus der AG Interdisziplinäre Sicherheitsforschung der FU Berlin herzlicher Dank für ihre hervorragende Unterstützung.

Dr. Karlheinz Steinmüller / Prof. Dr. Lars Gerhold

Karlheinz Steinmüller: Dipl.-Phys., Dr. phil., Wissenschaftlicher Direktor und Gesellschafter der Z_punkt GmbH The Foresight Company, Autor von Science-Fiction und Sachbüchern.

Moßkopfring 40, 12527 Berlin, Tel.: +49(0)30-67549563, E-Mail: steinmueller@z-punkt.de.

Lars Gerhold, Universitätsprofessor, Dr. phil. , Leiter der Arbeitsgruppe Interdisziplinäre Sicherheitsforschung und Projektleiter des Forschungsforum Öffentliche Sicherheit und des Zukunftslabor Sicherheit, Freie Universität Berlin.

Carl-Heinrich-Becker Weg 6-10, 12165 Berlin, +49(0)30-83851693, E-Mail: lars.gerhold@fu-berlin.de



[1] Auf die Unzulänglichkeiten des klassischen Risikokalküls hat auch Taleb (2008) hingewiesen.

[2] Wäre das Ende der Menschheit beabsichtigt, müsste der Begriff der Bedrohung gewählt werden.

[3] Bei Naturereignissen außergewöhnlicher Größe liefert die Erdgeschichte mit ihren Extinktionsereignissen (Massenaussterben) eine gewisse Vergleichsbasis. Auch bei kosmischen Gefahren kann auf Erkenntnisse der Astronomie zurückgegriffen werden.

[4] Im Rahmen unserer Darstellung kann die volle Breite dieser Diskurse nicht abgebildet werden. Wir verzichten insbesondere auf eine Betrachtung der religiös inspirierten Apokalyptik. Siehe dazu etwa Demandt (1993), Thomson (1997), Cohn (2007) und auch Horn (2014).

[5] In der populären Zeitdiagnostik wird dafür bisweilen das Akronym VUCA (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) verwendet.

[6] In der Geschichtsphilosophie konnten bis ins beginnende 20. Jahrhundert hinein Alterung und Ende der Menschheit bzw. einzelner Völker in Analogie zum individuellen Leben gedacht werden („Lebensalter-Gleichnis“, siehe Demandt 2011: 270ff). Das positive Gegenstück waren geschichtsfinalistische Vorstellungen von einer notwendigen Aufwärtsentwicklung (Reifung) der Menschheit bis zu einem mehr oder weniger utopischen Endzustand (wie dem Kommunismus).

[7] Der Begriff der Katastrophe impliziert eine anthropomorphistische Interpretation, denn er setzt ein Subjekt, das betroffen ist, voraus. Die Explosion eines Sterns bei einer Supernova oder die Implosion eines Sterns zu einem Schwarzen Loch als Katastrophe zu beschreiben, bedeutet den Stern als betroffenes Subjekt zu betrachten, also zu vermenschlichen.

[8] Als Gegenstand von Zukunftsforschung können existentielle Gefahren als sehr spezifische, eben katastrophale Zukunftsbilder betrachtet werden. Zukunftsbilder ihrerseits – als Konstruktionen möglicher Zukünfte – sind in besonderem Maße von kulturell bedingten Vorannahmen abhängig, schon, weil diese nicht durch direkten Zugriff auf ihren Gegenstand überprüft werden können. So zeigen beispielsweise Boschetti et al. (2016), dass der Vielzahl westlicher Zukunftsvorstellungen eine begrenzte Anzahl von Szenario-Archetypen, Weltsichten und Ideologien zugrunde liegen, die den Vorstellungsraum in bestimmte Richtungen öffnen und zugleich in andere Richtungen verschließen.

[9] Katastrophenfilme und Weltend-Romane, Computerspiele mit apokalyptischen Settings und Post-Doomsday-Comics bilden fast schon eigene Genres. Sie belegen den kulturellen Stellenwert des Themas „existentielle Gefahren“. Vgl. die Ergebnisse des Projekts „Neophobia“ (Fischer et al. 2019) und Steinmüller (2020).

[10] Je nachdem sind unterschiedliche Szenarien denkbar, die von einer gewalttätigen Ablösung der Menschheit bis zu einer Welt reichen, in der die künstlichen Intelligenzen die Menschen als eine Art Haustiere halten (Bostrom 2014, Tegmark 2017).

[11] Die Sonne durchläuft den typischen Entwicklungsweg eines Hauptreihensterns. Langfristig steigt dabei ihre Strahlungsleistung um etwa ein Prozent in 100 Millionen Jahren. Eine plötzliche Verwandlung in eine Nova ist astrophysikalisch ausgeschlossen, eine Veränderung der Sonnenaktivität um mehr als Bruchteile eines Prozents extrem unwahrscheinlich.

[12] Es wird vermutet, dass das Extinktionsereignis vor 443 Millionen Jahren am Ende des Ordoviziums von einem Gammablitz verursacht wurde.

[13] Diese Art von Spekulationen gehört u. E. eher in die Traditionslinie der Theologie als in die der Philosophie.

[14] Man vergleiche John Petersens Impact-Index für Wild Cards (Petersen 1997: 15ff).

[15] Zur Präzisierung: Im Folgenden wird stets das maximale Schadensausmaß beim Eintreten der Gefahr ohne (ausreichende) Gegenmaßnahmen betrachtet.

[16] In der Zeit des „genetischen Flaschenhalses“ der menschlichen Population – möglicherweise ausgelöst durch den Ausbruch des Vulkans auf der indonesischen Insel Toba vor 74.000 Jahren –, als lediglich etwa 10.000 Menschen auf der Erde lebten, hätte schon Severity 4 die totale Auslöschung bedeutet. Heute können regionale bewaffnete Konflikte eine größere Anzahl Opfer fordern.

[17] „DS“ steht für Desaster- oder Destruktionsstufe. – In Steinmüller (2012) wird auch das englische Wort „doom“ für „Untergang“, „Verhängnis“ benutzt.

[18] Keines der Massenaussterben in der Erdgeschichte hat bislang zum Verschwinden des mehrzelligen Lebens geführt. Nimmt man andere Arten – nicht den Homo sapiens – als Maßstab, wären diese Extinktionsereignisse als DS 3 zu klassifizieren.

[19] Es sei angemerkt, dass mit den populären, metaphorischen Ausdrücken wie „Weltuntergang“, „Zerstörung der Erde“ etc. meist Stufe DS 2 oder DS 3 gemeint sind. Die präzisere Formulierung „Zerstörung der Lebensgrundlagen der Menschheit“ bezieht sich ebenfalls in der Regel auf den Verlust der Grundlagen für die moderne Industriegesellschaft, mitunter wird das Aussterben der Menschen, DS 3, imaginiert.

[20] Oder wie bei den typischen Öko- oder Sozialkatastrophen: Je weiter man sich von den ursprünglichen negativen Trendentwicklungen entfernt …

[21] Man kann argumentieren, dass existentielle Gefahren stets auf extremen Ereignissen beruhen. Diese liegen aber in der Regel außerhalb des üblichen Gültigkeitsbereichs der Theorien oder Modelle, im statistischen Sinn sind sie Ausreißer („outlier“) – Schwarze Schwäne in der Terminologie Talebs (2008).

[22] In der Versicherungswirtschaft wird die Unsicherheit darüber, wie gut ein bestimmtes Modell zutrifft, als Unsicherheit Level 2 bezeichnet.

[23] Eine rein spekulative existentielle Gefahr wurde bei der Explosion der ersten Wasserstoffbombe diskutiert (Casti 2012: 189): Es könnte sein, dass die dabei freigesetzten Energien Fusionsreaktionen in der Erdatmosphäre auslösen und in der Folge die gesamte Biosphäre vernichten (DS 5). Nach den damaligen physikalischen Erkenntnissen (interne Ebene) war dies ausgeschlossen.

[24] Als „method of last resort“ greift die Zukunftsforschung in solchen Fällen zur Delphimethode. Der Wert von Aussagen der Art „95% der befragten Experten sind überzeugt, dass bis Ende des Jahrhunderts Ereignis X zu etwa 80% eintritt.“ darf aber bezweifelt werden. Allenfalls können sie zur Erzeugung von Aufmerksamkeit und zur Mobilisierung von Gegenkräften beitragen.

[25] Gegebenenfalls mit Ausnahme des bereits erwähnten „genetischen Flaschenhalses“ durch den Ausbruch des Vulkans auf Toba vor etwa 74.000 Jahren.

[26] Wir klammern hier die eher hypothetische Fragestellung aus, wie sich durch geeignete Maßnahmen die Wahrscheinlichkeit eines Endes der Menschheit reduzieren lässt.

[27] Im konkreten Fall einer speziellen existentiellen Gefahr kann es darum gehen, wie man durch geeignete Maßnahmen die (vielleicht ohnehin geringe) Wahrscheinlichkeit des Eintretens des Schadereignisses noch weiter – im Idealfall auf null – reduzieren kann. Im Kontext dieses Artikels, der dazu dient, ein allgemeines Kriterienraster einzuführen und zu erproben, wird auf diese nächste Konkretionsstufe verzichtet.

[28] Hieraus lässt sich ein vorherrschender Pessimismus der Experten hinsichtlich der Wirksamkeit internationaler Klimaschutzanstrengungen ableiten.

[29] Zu „wicked problems“ siehe Conklin (2001) und Ritchey (2011: 19).

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