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Jahrgang 1 (2012), Ausgabe 1
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Editorial

Die zunehmende Komplexität und Dynamik technologischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Systeme sowie die steigenden Rationalitätserwartungen an Entscheidungen in Politik und Wirtschaft tragen zu einem verstärkten Interesse an verlässlichen Aussagen über die Zukunft bei.

Diese Nachfrage nach zukunftsbezogenem Wissen wird auf breiter Basis aufgegriffen. Von universitären Forschungseinrichtungen über die Forschungsabteilungen von Unternehmen und öffentlich finanzierten Thinktanks bis hin zu Unternehmensberatungen beteiligen sich zahlreiche Institutionen daran, den Bedarf an zukunftsorientierter Forschung zu decken.

Die jeweiligen Forschungsaktivitäten sind dabei ganz unterschiedlich überschrieben. So stehen sich Begriffe wie Zukunftsforschung, Trendforschung, Zukunftsstudien, Technik- und Politikfolgenabschätzung oder Foresight in der deutschsprachigen Forschungslandschaft weitgehend unbestimmt und unverbunden gegenüber. Gleichzeitig findet Zukunftsforschung auch in den Fachdisziplinen von Natur- und Gesellschaftswissenschaften statt, ohne explizit als Zukunftsforschung sichtbar zu werden.

Auch wenn im Zuge systematischer Bemühungen um eine wissenschaftliche Profilierung mittlerweile erste Lehrstühle (z. B. an der RWTH Aachen) geschaffen und Studiengänge (z. B. an der FU Berlin) etabliert werden konnten, wird der Zukunftsforschung im deutschsprachigen Wissenschaftsraum – bisweilen durchaus nachvollziehbar – noch immer erhebliche Skepsis entgegengebracht.

Abgesehen von der verbreiteten medialen Nutzung der oben angeführten Begriffe bedarf es im wissenschaftlichen Bereich einer fundierten erkenntnistheoretischen Auseinandersetzung mit der Fragestellung, ob und unter welchen Bedingungen es überhaupt möglich ist, wissenschaftlich fundierte Aussagen über die Zukunft zu treffen. Auch fehlt aus wissenschaftstheoretischer Sicht eine Klärung der Abgrenzung zwischen explizit wissenschaftlicher Zukunftsforschung und wissenschaftlicher Forschung, die lediglich implizit darauf abzielt, Aussagen über zukünftige oder erwartbare Entwicklungen zu treffen. Darüber hinaus besteht sowohl in Bezug auf die Ausgestaltung eines eigenen Methodenapparats als auch hinsichtlich der Identifikation und Anwendung spezifischer wissenschaftlicher Qualitätskriterien noch Entwicklungsbedarf.

Vor diesem Hintergrund haben wir uns als Herausgeber entschieden, mit der Gründung einer wissenschaftlichen Zeitschrift für Zukunftsforschung einen systematischen und kontinuierlichen wissenschaftlichen Diskurs zu diesen Fragestellungen in Gang zu setzen. Die Zeitschrift für Zukunftsforschung soll hierzu den disziplinübergreifenden Raum für die Diskussion von wissenschaftstheoretischen, erkenntnistheoretischen und methodologischen Aspekten der Zukunftsforschung bieten und dabei helfen, ein gemeinsames Verständnis für die wissenschaftlichen Herausforderungen zu entwickeln, die mit zukunftsorientierter Forschung einhergehen.

Die Zeitschrift für Zukunftsforschung erscheint als Open-Access-Journal und ist ausschließlich online verfügbar. Unter der Webadresse www.zeitschrift-zukunftsforschung.de wird es jeweils halbjährlich eine neue Ausgabe geben. Eingereichte Beiträge unterliegen einem Peer-Review-Prozess im Doppelblindverfahren.

Die Zeitschrift für Zukunftsforschung ist interdisziplinär ausgerichtet. Sie ist offen für Fragen zu sozial-, politik- und geisteswissenschaftlichen wie auch technologischen Entwicklungen. In der Zeitschrift erscheinen neben Beiträgen zu wissenschaftstheoretischen und methodologischen Fragestellungen auch die Ergebnisse empirisch-angewandter Zukunftsforschung. Prinzipiell kann damit jede auf die Zukunft bezogene Forschungsfrage zum Gegenstand eines Beitrags in der Zeitschrift für Zukunftsforschung werden, sofern sie einen Bezug zu gesellschaftlichen Entwicklungen aufweist. Die Beschreibung zukünftiger Entwicklungen oder Zustände muss dabei jedoch als explizite und forschungsleitende Zielsetzung enthalten sein. Dadurch unterscheiden sich die Beiträge von primär gegenwartsbezogener Forschung, die lediglich Ausblick in die Zukunft gibt.

In dieser ersten Ausgabe der Zeitschrift für Zukunftsforschung wirft Karlheinz Steinmüller den Blick zunächst in die Vergangenheit und widmet sich damit der Geschichte der Zukunftsforschung in Deutschland. In ersten von drei Teilen wird die Entwicklung von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis in die 1970er-Jahre beleuchtet. Den Schwerpunkt bildet dabei eine Analyse der unterschiedlichen methodischen Strömungen sowie der Institutionalisierung.

Anschließend beschreiben Gabriela B. Christmann, Thorsten Heimann, Nicole Mahlkow und Karsten Balgar in ihrem Artikel den konstruktiven Charakter der Wahrnehmungen zukünftiger Klimarisiken auf Basis der Kombination einer Delphi-Studie und einer wissenssoziologischen Diskursanalyse.

Johannes Venjakob widmet sich in seinem Beitrag dem Thema Energie in der wissenschaftlichen Zukunftsforschung. Dabei wirft er die Frage auf, ob sich durch die Verbindung von geografischer Forschung und Energiethemen auch ein neues methodisches Experimentierfeld eröffnet.

Tristan Nguyen und Victor Tiberius diskutieren in ihrem Beitrag Katastrophen aus der Perspektive der Zukunftsforschung und überprüfen das Vorliegen der Versicherungskriterien.

Der letzte Beitrag dieser Ausgabe stammt von Roman Peperhove und stellt ein Zukunftsforschungsprojekt vor, das sich der „Dark Side“ der Technologieentwicklung zuwendet: den durch menschliches Handeln herbeigeführten nichtintendierten Nebenwirkungen neuer Technologien.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen und uns auch in Zukunft eine spannende Lektüre.

Die Herausgeber

 

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Jedermann darf dieses Werk unter den Bedingungen der Digital Peer Publishing Lizenz elektronisch über­mitteln und zum Download bereit­stellen. Der Lizenztext ist im Internet unter der Adresse http://www.dipp.nrw.de/lizenzen/dppl/dppl/DPPL_v2_de_06-2004.html abrufbar.