Direkt zum Inhalt | Direkt zur Navigation

Sektionen
Jahrgang 2014, Ausgabe 2
Artikelaktionen

Projektberichte

Projektbericht Experteneinschätzung quantitativer technischer Parameter – Erkenntnisse einer Delphi-Studie zum Einsatz von Brennstoffzellen im Kraftfahrzeug

  1. Dipl.-Ing. Markus Thoennes RWTH Aachen University
  2. M.Sc. Alexander Busse RWTH Aachen University

Zusammenfassung

Die Endlichkeit fossiler Energieressourcen, der zunehmende legislative Druck zur Reduzierung von Fahrzeugemissionen und das massive Wachstum weltweiter Fahrzeugflotten führen zu einem hohen Handlungsdruck, alternative Antriebstechnologien einzuführen. Aufgrund ihrer Emissionsfreiheit und der hohen Alltagseignung, zum Beispiel bezüglich der Reichweite und Betankungsdauer, stellen Fahrzeuge mit einer Brennstoffzelle als Antriebssystem eine vielversprechende Technologieoption dar. Eine Markteinführung von ersten, technologisch derzeit noch in einem frühen Entwicklungsstadium befindlichen Brennstoffzellenfahrzeugen wird von mehreren Fahrzeugherstellern für die Jahre 2015–2017 vorbereitet. Die langfristige, weitreichende Marktetablierung von Brennstoffzellenfahrzeugen hängt letztlich von der weiteren Entwicklung der technischen Leistungsfähigkeit von Brennstoffzellensystemen ab, die augenblicklich den Marktanforderungen noch nicht ausreichend gerecht werden. Obwohl insbesondere die Entwicklung quantitativer Leistungsparameter für die Marktetablierung entscheidend ist, lagen bislang methodisch fundierte, quantitative Prognosen für diese Systeme nicht vor. Zur Analyse des technologischen Potenzials von Brennstoffzellensystemen in automobiler Anwendung hat das Institut für Kraftfahrzeuge der RWTH Aachen University daher eine webbasierte Delphi-Studie zur quantitativen Entwicklung technologischer Leistungsparameter von automobilen Brennstoffzellensystemen mit einem zeitlichen Horizont bis 2030 durchgeführt. Das vorliegende Paper diskutiert die Ergebnisse sowie die methodischen Erkenntnisse der durchgeführten Delphi-Studie und arbeitet die Besonderheiten einer quantitativen Befragung im technischen Umfeld in den Bereichen Studienlayout, Befragungsdurchführung und Ergebnisinterpretation heraus. Unter anderem geht der Artikel auf die Relevanz einer fundierten Datenbasis als Basis für die inhaltliche Ausgestaltung der Delphi-Studie sowie auf die Beeinflussung der Teilnehmer durch die Definition und Formulierung quantitativer Fragestellungen ein. Weiterhin wird die Relevanz extremer Expertenpositionen in heterogenen Teilnehmergruppen behandelt sowie die Möglichkeit der Validierung quantitativer Ergebnisse durch zusätzliche Delphi-Befragungsrunden, insbesondere bei kleinen Grundgesamtheiten, untersucht.

Abstract

The scarcity of fossil energy resources, the increasing legislative pressure to reduce vehicle-related CO2 emissions, and the expected growth in the number of passenger cars result in a high demand for introducing propulsion technologies with zero or very low tailpipe emissions. In this context, fuel cell electric vehicles (FCEV) offer significant potential to mitigate vehicle-related CO2 emissions, featuring a high practicality in terms of range and refueling time at the same time. Currently vehicle manufacturers are preparing the market introduction of first FCEV models for 2015–2017. Anyhow, in terms of their technological level of maturity, these models still are in an early stage of development. The long-term, extensive market establishment of FCEV therefore is highly dependent on the technological progress of fuel cell system technology, as current systems do not yet meet customer demands regarding system performance. To analyze the technological potential of automotive fuel cell systems, the Institut für Kraftfahrzeuge, RWTH Aachen University conducted a web-based Delphi Study. In comparison to existing Delphi Studies in this topical areas, which qualitatively assess the potential of these systems, the conducted study aims at quantitatively forecasting the technological performance parameters with a timely horizon until 2030. This paper discusses the methodological findings of the conducted Delphi Study and analyses the characteristics of quantitative Delphi Studies in technological contexts in terms of study design, survey implementation, and interpretation of results. Among others, the article focuses on the relevance of a sound data basis for the design of a quantitative Delphi Study with regard to contents and on the risk to influence the study participants when defining quantitative problems. Furthermore, the relevance of heterogeneous groups of participants is analyzed and the potential to validate quantitative results in consecutive survey rounds is examined.

Keywords

1. Einleitung und Motivation

Die zunehmende Verknappung fossiler Energieträger in Kombination mit einem weltweit steigenden Energieverbrauch, daraus resultierende steigende Energiepreise und immer strengere staatliche Emissionsregulierungen stellen Fahrzeughersteller vor die Herausforderung, alternative Antriebskonzepte zu entwickeln, die umweltschonender und effizienter als konventionelle Antriebsvarianten und gleichzeitig vergleichbar leistungsstark sind (International Energy Agency 2013, Europäische Union 2014). Wasserstofffahrzeuge sind eine vielversprechende, aber noch nicht serienreife Option, diesen Herausforderungen zu begegnen. Zur Planung industrieller und politischer Agenden ist daher die Einschätzbarkeit der zukünftigen technologischen Entwicklung und daraus folgend die Vorhersage des Zeitpunktes einer für Großserienapplikationen ausreichenden technologischen Reife von Wasserstofffahrzeugen essenziell. Aus diesem Grund hat das Institut für Kraftfahrzeuge der RWTH Aachen University zur Einschätzung der aktuellen und zukünftigen Leistungsfähigkeit von automobilen Brennstoffzellensystemen eine Delphi-Studie durchgeführt. In dieser Studie wurden internationale Experten zu ihren Erwartungen hinsichtlich der Entwicklung der technologischen Leistungsfähigkeit in Form von quantitativen Leistungsparametern befragt.

Die durchgeführte Delphi-Studie zur Analyse quantitativer Leistungsparameter liefert inhaltliche und methodische Erkenntnisse, die im vorliegenden Paper eingeordnet und diskutiert werden. Hierzu werden zunächst die technischen Grundlagen wasserstoffbasierter automobiler Antriebssysteme erläutert und der Stand des Wissens zur zukünftigen Entwicklung der technologischen Leistungsfähigkeit zusammengefasst (Kapitel 2). Die unzureichend vorhandenen Prognosen zum technologischen Potenzial begründen den Bedarf einer Delphi-Studie in diesem Themenfeld. Anschließend wird das Delphi-Verfahren methodisch eingeordnet und die Anwendungsmöglichkeiten zur Einschätzung der Entwicklung quantitativer Daten reflektiert (Kapitel 3). Das methodische und inhaltliche Layout der durchgeführten Delphi-Studie wird präzisiert (Kapitel 4) und die Ergebnisse der Studie zusammengefasst (Kapitel 5). Die methodischen Erkenntnisse aus der Durchführung der Delphi-Studie zur Ermittlung quantitativer, technologisch orientierter Informationen werden abschließend diskutiert (Kapitel 6).

2. Die Brennstoffzelle als nachhaltige Technologieoption für Kraftfahrzeuge

2.1. Grundlagen wasserstoffbasierter automobiler Antriebssysteme

Wasserstoff bietet als kohlenstofffreier Energieträger die Möglichkeit, in Fahrzeugen schadstofffrei energetisch genutzt zu werden. Ferner bietet Wasserstoff das Potenzial, zukünftig mittels regenerativ erzeugter Elektrizität durch Elektrolyse umweltfreundlich hergestellt zu werden. In den Innovationsagenden der führenden Automobilunternehmen spielen mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge daher seit Jahren eine wichtige Rolle, da diese im Gegensatz zu batterieelektrischen Fahrzeugen hohe Reichweiten und eine geringe Betankungsdauer und damit ein zu konventionellen Fahrzeugen vergleichbares Nutzungsprofil ermöglichen.

Technisch realisiert wird der Einsatz von Wasserstoff als Kraftstoff in automobiler Anwendung als Fahrzeug mit Wasserstoffverbrennungsmotor (HICEV, Hydrogen Internal Combustion Engine Vehicle) oder Brennstoffzellenfahrzeug (FCEV, Fuel Cell Electric Vehicle). Der Antrieb eines HICEV arbeitet nach dem Prinzip eines konventionellen Verbrennungsmotors. Änderungen an Motorsteuerung, Gemischbildungssystem und Brennverfahren ermöglichen den Einsatz von Wasserstoff als Kraftstoff und damit die verbrennungsbasierte Umwandlung der chemischen Energie des Wasserstoffes in mechanische Bewegungsenergie (Eichlseder & Kell 2012). In der Brennstoffzelle eines FCEV wird die im Wasserstoff enthaltene Energie dagegen elektrochemisch, d. h. von chemischer in elektrische Energie gewandelt. Hierzu werden der Brennstoffzelle Wasserstoff und aus der Umgebungsluft entnommener Sauerstoff getrennt durch eine semipermeable Membran (Elektrolyt) zugeführt und eine kontrollierte Oxidation durchgeführt. Die dabei freigesetzte elektrische Energie kann mit einem Elektromotor zum Antrieb des Fahrzeuges genutzt werden (Heinzel et al. 2006). Es existieren verschiedene technische Ausführungen von Brennstoffzellen, in FCEV kommen aufgrund von Vorteilen bei Leistungsdichte und Dynamik Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzellen (PEMFC) zum Einsatz.

FCEV bieten gegenüber HICEV den Vorteil, besonders in dem in der Praxis oft genutzten Teillastbereich einen höheren Wirkungsgrad zu realisieren, vgl. Abbildung 1 (Garche et al. 2013). Weiterhin emittieren FCEV beim Betrieb mit reinem Wasserstoff lokal keine Emissionen und bieten gegenüber HICEV auch Vorteile bei den Lärmemissionen. Zusammenfassend weisen Brennstoffzellenfahrzeuge gegenüber Fahrzeugen mit Wasserstoffverbrennungsmotor in den wichtigsten technologischen Vergleichskriterien das höhere technologische Zukunftspotenzial für den Einsatz als Energiewandler in wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen auf.

Abb 1: Wirkungsgrade von Brennstoffzelle (FC-System), Wasserstoff¬verbrennungsmotor (HICE) und konventionellem Verbrennungsmotor (ICE)

Obwohl frühe Konzeptstudien wasserstoffbasierter Kraftfahrzeuge bereits Anfang der 1990er-Jahre vorgestellt wurden, ist die serienorientierte Markteinführung bis heute nicht erfolgt. Neben der fehlenden Betankungsinfrastruktur und einer unzureichenden ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit gegenüber konventionellen (Otto, Diesel) und unkonventionellen (Erdgas, Batterieelektrisch) Antriebssystemen stellt die nicht ausreichende technologische Leistungsfähigkeit des Brennstoffzellensystems weiterhin einen Hauptgrund der bisher nicht erfolgten Marktetablierung dar. Eine (Klein-)Serienproduktion der präferierten Brennstoffzellentechnologie wurde zwar inzwischen durch mehrere Fahrzeughersteller für die Jahre 2015–2017 angekündigt, das Brennstoffzellensystem erfüllt allerdings aktuell noch nicht die für eine automobile, großskalige Serienanwendung erforderlichen Leistungsanforderungen.

2.2. Technologische Anforderungen in der Entwicklung von Brennstoffzellenfahrzeugen

Die Marktetablierung von Brennstoffzellenfahrzeugen ist maßgeblich von der technologischen Leistungsfähigkeit von Brennstoffzellensystemen und der ausreichenden Erfüllung der technologischen Systemanforderungen abhängig. Diese Anforderungen werden zum einen durch Konkurrenztechnologien (ICE, Hybridfahrzeuge) und andererseits durch institutionell vorgegebene Entwicklungsziele, z. B. durch das Energieministerium der USA (DOE) in Kooperation mit Brennstoffzellenherstellern, definiert.

Für eine erfolgreiche Marktetablierung muss die Leistungsfähigkeit des Brennstoffzellenantriebes mindestens das Leistungsniveau konkurrierender Antriebssysteme wie Verbrennungsmotor, Hybrid- oder Elektroantrieb erreichen. Eine Vergleichbarkeit verschiedener Antriebssysteme bzw. eine Definition von Entwicklungszielen kann durch die Analyse quantitativer Leistungsparameter ermöglicht werden. Diese Parameter beschreiben das betrachtete System möglichst generisch und determinieren somit die Leistungsfähigkeit des Systems.

Für Antriebssysteme im Fahrzeug werden beispielsweise die Effizienz, das Leistungsgewicht und -volumen oder die Lebensdauer als primäre Leistungsparameter betrachtet. Weitere, nicht betrachtete Leistungsparameter beeinflussen die Leistungsfähigkeit des Antriebssystems nur indirekt und werden bereits in den primären Parametern berücksichtigt. So verbessert beispielsweise eine erhöhte Leitfähigkeit der Brennstoffzellenmembran als indirekter Leistungsparameter den Primärparameter Lebensdauer.

Ein Vergleich der tatsächlichen bzw. erwarteten technologischen Leistungsfähigkeit der Systemparameter mit den für eine automobile Serienanwendung mindestens zu erzielenden Leistungsanforderungen ermöglicht Rückschlüsse auf die Zukunftsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Brennstoffzellentechnologie.

2.3. Verfügbare Prognosen zum technologischen Potenzial von Brennstoffzellen in Automotive-Anwendungen

Aufgrund der Komplexität der Einflussfaktoren auf die zukünftige Entwicklung der Leistungsfähigkeit, des Zeithorizonts bis zum Erreichen einer signifikanten Marktrelevanz von FCEV sowie der geringen verfügbaren Datenbasis zur historischen Entwicklung der Leistungsparameter weisen traditionelle quantitative Prognosemethoden wie die datenbasierte Trendextrapolation nur eine begrenzte Eignung für eine valide Einschätzung der Parameterentwicklung auf. Entsprechend sind trotz des hohen Informationsbedarfes zur zukünftigen Entwicklung der Leistungsfähigkeit von automobilen Brennstoffzellensystemen öffentlich keine quantitativen Prognosen relevanter Leistungsparameter von automobilen Brennstoffzellensystemen verfügbar.

Alternative Prognoseansätze nutzen eine Analyse und Bewertung von Anzahl und Applikationen von Patenten, um den zukünftigen Technologie- und Reifegrad der Brennstoffzellentechnologie zu quantifizieren. Tabelle 1 zeigt die hierzu verfügbaren Veröffentlichungen. Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit der für eine Marktetablierung relevanten technologischen Parameter auf Systemebene sind mit dieser Vorgehensweise jedoch nicht möglich. Folglich ist dieser Analyseansatz für die Vorhersage einer Marktetablierung aus Sicht der technologischen Leistungsfähigkeit nicht ausreichend.

Tab. 1: Patentbasierte Analysen des zukünftigen technologischen Reifegrades von automobilen Brennstoffzellensystemen

Autor(en)

Jahr

Methodik

Fokus

Kwon

2011

Patentanalyse

Analyse technologischer Trends von Brennstoffzellen-fahrzeugen

Chen et al.

2010

Patentanalyse,
S-Kurvenmodell

Entwicklung von Patentzah-len im Bereich Wasserstoff und Brennstoffzellen (Zeitho-rizont 2050)

Eine weitere Alternative zur Einschätzung der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit von automobilen Brennstoffzellensystemen bieten Expertenbefragungen. Die wenigen verfügbaren Delphi-basierten Publikationen in diesem Themenbereich fokussieren jedoch entweder nicht auf die Entwicklung der technologischen Leistungsfähigkeit der Brennstoffzellentechnologie oder vernachlässigen die automobilen Anwendungen. Studien mit einem Fokus auf technologische Aspekte verwenden Leistungsparameter hauptsächlich, um abstraktere Rückschlüsse auf das allgemeine Markt- oder Technologiepotenzial der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie zu tätigen. Tabelle 2 zeigt eine Übersicht der veröffentlichten Studien, die sich mit einer Delphi-basierten Zukunftseinschätzung der Wasserstoff- und Brennstofftechnologie befassen.

Tab. 2: Veröffentlichungen zu Delphi-Studien über die zukünftige technologische Entwicklung von automobilen Brennstoffzellensystemen

Autor(en)

Jahr

Methodik

Fokus

Celiktas & Kocer

2010

Bibliometrische Analyse + SWOT Analyse +
2-stufige Delphi-Studie

Wasserstoffwirtschaft in der Türkei

(Zeithorizont: 2035)

Chang et al.

2011

Fuzzy-Delphi-Methode

Bewertung der Wasserstoffproduktionstechnologien

Hart et al.

2009

Quasi-Delphi-Methode (interviewbasiert)

Technologische Hindernisse für Wasserstoff als Kraftstoff für Transportanwendungen

Stevenson

2012

Mehrstufige Delphi-Studie

Bewertung potenzieller
Wasserstoffproduktionstechnologien
(Zeithorizont: 2050)

Suominen et al.

2011

3-stufige Delphi-Studie

Prognose (Technologie- und Marktparameter) von
portablen Brennstoffzellen (Zeithorizont: 2030)

Zusammenfassend zeigt die Analyse verfügbarer Studien in diesem Themenbereich, dass ein Bedarf für eine quantitative Abschätzung der Entwicklung der zukünftigen technologischen Leistungsfähigkeit von FCEV besteht. Wie bereits erwähnt, schließt die fehlende Datenbasis zu der historischen Entwicklung der Leistungsparameter allerdings mathematische Prognosemethoden aus. Alternativ bietet auf Basis der bestehenden Forschung eine Delphi-Studie mit Technologieexperten die Möglichkeit, die zukünftige Leistungsfähigkeit von Automotive-Brennstoffzellen und den damit verbundenen Forschungsbedarf zu ermitteln.

Die vom Institut für Kraftfahrzeuge der RWTH Aachen University durchgeführte Delphi-Studie zum Einsatz von Brennstoffzellen im Kraftfahrzeug betrachtet aus diesem Grund einerseits die quantitative Entwicklung von vier identifizierten Parametern, welche die Leistungsfähigkeit des Brennstoffzellensystems determinieren, aktuell einen unzureichenden Entwicklungsstatus aufweisen und somit als kritisch hinsichtlich der Markteinführung zu betrachten sind. Andererseits werden die Gründe genannt, die für eine mögliche Verbesserung der Leistungsfähigkeit dieser Parameter sprechen. Außerdem wird der Zeitpunkt des Erreichens der von der technologischen Leistungsfähigkeit abhängigen Marktreife abgeschätzt. Zusammenfassend fokussiert sich die Studie auf die drei Untersuchungsfelder:

  • Aktuelle und zukünftig erwartete Leistungsfähigkeit von technologischen Schlüsselparametern automobiler Brennstoffzellensysteme.

  • Technologische Gründe, die für eine mögliche Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Schlüsselparameter sprechen.

  • Bewertung der technologischen Leistungsparameter hinsichtlich des Zeitpunktes der Marktreife.

3. Delphi-Studie im Kontext quantitativer Prognosen

3.1. Grundlagen des Delphi-Verfahrens

Die Delphi-Methode ist ein mehrstufiges Befragungsverfahren zur Meinungserhebung von Experten. Charakterisierendes Merkmal ist die Rückkopplung der Ergebnisse in einer zweiten oder weiteren folgenden Befragungsrunde (UNIDO 2005). Die Delphi-Methode wurde in den 1950er-Jahren durch die RAND-Corporation in den USA entwickelt und zunächst im militärischen Kontext eingesetzt. Die erste Delphi-Studie im zivilen Bereich wurde 1964 veröffentlicht (Gordon & Helmer 1964). Eine wesentliche Motivation bei der Entwicklung der Delphi-Methode war die Erhebung einer zusammengesetzten Expertenmeinung ohne in Gruppenprozessen auftretende verzerrende Nebeneffekte, z. B. Meinungsführerschaften durch dominante Personen. Die Anonymität gewährleistet einen Schutz vor Prestigeverlust bei unsicheren Entscheidungen oder möglichen Meinungsänderungen (Linstone & Turoff 1975).

In einer Delphi-Studie beantworten im Allgemeinen mehrere Experten anonym einen Fragebogen zu einem Prognosethema. Üblich ist eine Teilnehmerzahl von mindestens 15–30 Teilnehmern, es gibt aber durchaus auch Delphi-Studien mit dreistelligen Teilnehmerzahlen. Die Ergebnisse der ersten Befragungsrunde werden ausgewertet und den Teilnehmern anschließend mitgeteilt, um diese zu den Ergebnissen Stellung nehmen zu lassen und eventuelle Modifikationen ihrer Aussagen zu ermöglichen. Eine Delphi-Studie besteht aus mindestens zwei Befragungsrunden, die finale Anzahl der Befragungsrunden ist abhängig von dem Abbruchkriterium, z. B. dem Konsenskriterium oder der Bildung einer stabilen Gruppenmeinung, sowie zeitlichen und finanziellen Grenzen (Scheibe et al. 2002; Geschka 1995; Schulz & Renn 2009). Generell ist eine Delphi-Befragung für nahezu jede, insbesondere langfristig orientierte prognostische Aussage einsetzbar, wobei sich teilweise dezidierte Formen der Delphi-Methodik herausgebildet haben. Durch die steigende Komplexität in der Entscheidungsfindung aufgrund einer zunehmenden Anzahl und Vernetzung von relevanten Einflussfaktoren nimmt die Nutzung der Delphi-Methode seit der letzten Dekade zu (Häder 2009).

Die Delphi-Methode zeichnet sich durch eine sehr gute Kombinierbarkeit mit anderen Prognosemethoden aus, die u. a. zur Vorbereitung der Delphi-Befragung, zur Validierung oder zur Weiterverarbeitung der erhobenen Daten genutzt werden können. Beispiele für kombinationsgeeignete Methoden sind Cross-Impact-Analyse, Data Mining, Entscheidungsanalyseverfahren oder Relevanzbäume (Gordon 1994).

Die Delphi-Methode unterliegt bis heute einer umfangreichen und thematisch vielfältigen methodenevolutionären wissenschaftlichen Behandlung. Dabei wird die Methode sowohl durch die Anwendung in neuen inhaltlichen Anwendungsfeldern und daraus resultierende Erkenntnisse als auch durch externe Einflüsse auf die Operationalisierung und Methodenanwendung, z. B. durch neue technologische Möglichkeiten, weiterentwickelt. Aufgrund der thematischen Fokussierung des Papers erfolgt an dieser Stelle keine vollständige Erhebung der Entwicklungsfelder. Beispiele für aktuelle Forschungsthemen sind:

  • Zunehmende Möglichkeiten der Digitalisierung der Methode durch intra- und internetbasierte Anwendung (z. B. Geist 2010).

  • Teilnehmerorientierte Mechanismen und Maßnahmen sowie Applikation von Datenanalyseverfahren zur Erhöhung der Ergebnisqualität (z. B. Bolger & Wright 2011; Bolger et al. 2011).

  • Strukturierte Kombinationsmöglichkeiten der Delphi-Technik mit anderen Methoden (z. B. Landeta et al. 2011).

  • Real Time Delphi-Studien (z. B. Gnatzy et al. 2011; Gordon 2009a; Gordon & Pease 2006).

  • Weitergehende Systematisierung und Standardisierung von Delphi-Studien (z. B. Okoli & Pawlowski 2004).

Gleichzeitig werden sowohl methodentheoretisch als auch anwendungsorientiert Schwächen der Delphi-Methode diskutiert, die unter anderem die Auswahl und Qualitätsbewertung der teilnehmenden Experten, die generelle Infragestellung des Konsenskriteriums, die Schwierigkeit einer Prüfung der Methodengenauigkeit oder statistischer Effekte umfassen. Für eine zusammenfassende Diskussion der methodischen Schwächen und Grenzen siehe Landeta (2006) sowie Scapolo und Miles (2006).

3.2. Anwendung des Delphi-Verfahrens zur Prognose quantitativer Daten

Die Delphi-Methodik zur Externalisierung von informellem, fundiertem Expertenwissen wird sowohl für die Erhebung von qualitativen als auch quantitativen Informationen genutzt. Qualitative, in Delphi-Studien erfasste Informationen können zum Beispiel technologische Innovationsfelder oder Zukunftsrichtungen mit einer hohen volkswirtschaftlichen Relevanz sein, die in politischen Konsultations- und Planungsprozessen im Sinne des Foresight identifiziert werden. Beispiele für quantitative Informationen sind Zeitpunkte oder Wahrscheinlichkeiten für den Eintritt eines Ereignisses wie die bemannte Exploration von Planeten oder das Auftreten von Katastrophen.

Bei der Prognose quantitativer Daten werden in einer Delphi-Studie mit oder ohne Vorgabe von Antwortoptionen die Einschätzungen von Experten zum jeweiligen Erwartungswert erhoben und anschließend statistisch ausgewertet. Es resultieren quantitative Häufigkeitsverteilungen zu den Antworten, die eine Eingrenzung des wahrscheinlichen Wertebereiches in Form von Erwartungswerten zulassen. Beispielsweise lässt die Frage nach dem Zeitpunkt des ersten Ausbruches einer Epidemie in einer definierten geografischen Region eine zeitliche Eingrenzung des möglichen Auftretens zu. Neben dieser Ergebnisform quantitativer Delphi-Studien, die in der Mehrzahl der Veröffentlichungen als quantitative Delphi-Studie verstanden wird, ist prinzipiell auch die direkte Erhebung quantitativer Datenpunkte möglich. Beispiele hierfür sind erreichbare Stände von Leistungsindikatoren oder erwartete Verbreitungskennzahlen (Geschka 1977).

Während die Anwendung der Delphi-Methode zur Erhebung qualitativer Informationen anerkannt ist, wird die Anwendung zur Erhebung quantitativer Daten kontrovers diskutiert. Der Diskurs ist vornehmlich im Anwendungsfeld der Erhebung statistischer Antworthäufigkeiten angesiedelt und adressiert als zentralen Punkt die Reliabilität der erhobenen Daten, z. B. im Kontext der Auswahl und Eignung der befragten Experten, sowie die Ergebnisqualität im Vergleich zu alternativen quantitativen Prognoseverfahren oder statistischen Datenerhebungen (Sackman 1975; Woudenberg 1991; Hasson & Keeney 2011; Nowack et al. 2011). Dabei ist auch die Konsensorientierung in der zweiten oder weiteren Befragungsrunden zentraler Kritikpunkt. Durch die Mitteilung der zusammengeführten Ergebnisse früherer Befragungsrunden entsteht ein Konformitätsdruck, der das Aufrechterhalten extremer Meinungen erschwert (Loo 2002).

Die Delphi-basierte direkte Abfrage quantitativer Datenpunkte wird von einer geringeren Anzahl von Veröffentlichungen wissenschaftlich behandelt. Das liegt u. a. daran, dass eine direkte Nennung von Erwartungen, z. B. zu dem zukünftigen Marktvolumen eines Produktes, die Nachvollziehbarkeit der entscheidungsrelevanten Einflussfaktoren und der Entscheidungswege der Teilnehmer verhindert. Alternativ werden die Abfrage der Entscheidungsfaktoren und die anschließende Nutzung der Informationen in einer quantitativen Methode wie der Trend-Impact-Analysis empfohlen (Gordon 2009b). Bei der Erhebung quantitativer Datenpunkte resultiert daraus somit eine Unsicherheit bezüglich der Nachvollziehbarkeit und folglich Belastbarkeit der Aussagen, die sich letztlich auf die Ermittlung der Reliabilität im Sinne einer informationellen Reproduzierbarkeit auswirken (Amara & Lipinski 1972; Vorgrimler & Wübben 2003).

Die veröffentlichten methodischen Diskussionen zielen vorwiegend auf die Limitationen der Delphi-Methodik bei Anwendung zur quantitativen Prognose ab. Auf Basis dieser Limitationen werden für die Durchführung einer Delphi-Studie Empfehlungen für die Expertenauswahl, Befragungsdurchführung und Ergebnisauswertung gegeben, die zur Gewährleistung eines validen und reliablen Prognoseergebnisses beitragen. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte im Studienlayout ist die Delphi-Methode als ein geeignetes Medium zur Prognose quantitativer Daten anzusehen, insbesondere wenn aufgrund einer unzureichenden historischen Datenbasis die Anwendung alternativer quantitativer Prognosemethoden, z. B. Trendextrapolation, nicht möglich ist.

Für die Durchführung einer quantitativen Delphi-Studie zur Bewertung der zukünftigen Entwicklung von Leistungsparametern technischer Systeme wie automobilen Brennstoffzellensystemen ergeben sich weitere Besonderheiten, die in der Studiendurchführung zur Gewährleistung einer hohen Ergebnisqualität genutzt werden können. So sind technische Systeme und die zugehörigen technischen Leistungsparameter grundsätzlich durch eine gute Einschätzbarkeit von technischen Mindest- oder Maximalwerten gekennzeichnet. Beispielsweise kann für ein technisches System in einer definierten Applikation und Konfiguration der maximale theoretische Wirkungsgrad oder die maximale theoretische Leistung aufgrund physikalischer, thermodynamischer oder sonstiger Limitationen ermittelt werden. Damit können eventuelle extreme Antworten eingeschätzt werden und es besteht die Möglichkeit zur Qualitätskontrolle, sofern, wie oben empfohlen, neben dem quantitativen Erwartungswert auch Gründe für die Einschätzung abgefragt werden. Die Begründung der extremen Antwort ermöglicht Rückschlüsse auf eine eventuell vorliegende Fehlinterpretation der technologischen Rahmenbedingungen durch den Teilnehmer.

Die Besonderheiten des methodischen und inhaltlichen Layouts werden nachfolgend am konkreten Beispiel der durchgeführten Delphi-Studie diskutiert.

4. Methodisches und inhaltliches Layout der durchgeführten Delphi-Studie

4.1. Methodisches Layout und Datenreferenzierung

Für die Qualität der Delphi-Studie ist eine fundierte Recherche der Systemzusammenhänge und bestehenden Leistungsfähigkeit des Systems unerlässlich. Diese dient u. a. der Identifikation der in der Expertenbefragung zu behandelnden kritischen quantitativen Leistungsparameter (Key Performance Indicators, KPI) und unterstützt die Ausgestaltung der inhaltlichen Fragen und Antwortoptionen. In der späteren Auswertung der Befragung hilft sie in Kombination mit dem tiefen technologischen Systemverständnis und der Kenntnis technischer Mindest- und Maximalwerte im Sinne einer Qualitätskontrolle, mögliche extreme Antworten einzuschätzen. Somit können bei der Nennung unrealistisch erscheinender Werte die Gründe für die Erwartung abgefragt werden und expertenseitige Annahmen und Beweggründe hinterfragt werden.

Die durchgeführte Delphi-Studie besteht aus zwei internetbasierten Befragungsrunden. Dies ermöglicht neben einer hohen Zeiteffizienz (Befragungsdauer im konkreten Anwendungsfall 10–20 Minuten) die Option, die Bearbeitung des Fragebogens zu unterbrechen, was gegebenenfalls die Motivation zur Teilnahme steigert. Die Ergebnisse der ersten Befragungsrunde werden ausgewertet und den Teilnehmern mitgeteilt, um ihnen die Möglichkeit zu geben, zu den Ergebnissen Stellung zu nehmen und eventuelle Modifikationen ihrer Aussagen vorzunehmen. Insbesondere extreme Ergebnisse, die wegen physikalischer, thermodynamischer oder sonstiger Limitationen in einer automobilen Applikation von Brennstoffzellensystemen unrealistisch erscheinen, können in der zweiten Befragungsrunde von den Experten beurteilt werden. Ein zentraler Grund für die Limitierung der Studie auf zwei Befragungsrunden liegt in der geringen Teilnehmerzahl der zweiten Runde. Diese Teilnehmerzahl der zweiten Runde lässt darauf schließen, dass eine ausreichende Teilnehmerzahl in weiteren Runden möglicherweise nicht erreichbar gewesen wäre. Damit wird das Konsenskriterium als Abbruchkriterium nicht direkt angewendet, sondern eine stabile Gruppenmeinung angestrebt, die auch einzelne, extreme Meinungen weiterhin zulässt. Es wird somit berücksichtigt, dass aufgrund der eingeschränkten Teilnehmerzahl eine komplexe statistische Auswertung schwierig ist, einzelne Teilnehmer eine Extremmeinung trotz einer ausführlichen Beschreibung technischer Grenzen des definierten Referenzsystems beibehalten können und damit Lernprozesse nicht vollständig ausgeprägt sind.

Als Zeithorizont der Delphi-Studie werden die Jahre 2020 und 2030 gewählt. Die Studie ist als mittel- bis langfristig einzuordnen, unterliegt damit naturgemäß einer höheren Unsicherheit und dient als generelles Orientierungswissen (Kreibich 2006). Ursächlich für die Wahl des Zeithorizontes sind die Informationsbedarfe der am Planungsprozess für eine großskalige Markteinführung beteiligten Akteure. Entscheidungsträgern aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft wird mit den generierten Ergebnissen Unterstützung gegeben, sich auf die Gegebenheiten des Marktes einzustellen und frühzeitig Handlungsstrategien zu entwickeln, z. B. im Hinblick auf politische Infrastruktur- und Forschungsziele.

Das technische Referenzsystem legt die Rahmenbedingungen für die Beurteilung der zukünftigen Entwicklung der Prognoseparameter durch die befragten Experten fest und stellt in der Auslegung der Delphi-Studie einen zentralen Punkt zur Generierung valider Ergebnisse dar. Es wird mittels eines Vergleichs verschiedener Antriebsoptionen und bestehender Wasserstofffahrzeuge und Fahrzeugstudien ermittelt und stellt die realistischste Technologieoption dar. Als technisches Referenzsystem wird die genaue Antriebskonfiguration des Wasserstofffahrzeuges, z. B. der Brennstoffzellentyp und die verwendete Bereitstellungsform des Kraftstoffes, definiert.

4.2. Inhaltliches Layout und Datenreferenzierung

Für die definierte Referenzantriebsstruktur werden die prinzipiellen Systemanforderungen für eine erfolgreiche Serieneinführung erarbeitet und darauf aufbauend technologische Schlüsselparameter (KPI) abgeleitet und ausgewählt. In der Delphi-Studie werden diejenigen Leistungsparameter als kritisch und demnach als relevant für die Befragung identifiziert, deren aktuelle Leistungsfähigkeit den prinzipiellen Systemanforderungen noch nicht genügt (vgl. Kapitel 2). Für die Auswahl der Systemparameter bietet sich aufgrund der Vielzahl von Antriebskonfigurationen und der Vielfalt technologischer Bewertungsmöglichkeiten eines Antriebssystems eine große Menge potenzieller Bewertungsparameter. In der Auswahl der tatsächlich genutzten Parameter schränkt zunächst die Anforderung der Unabhängigkeit der Parameter die Auswahl deutlich ein (vgl. Kapitel 2.2). Dies führt zu einem Ausschluss von indirekten Parametern, die in ihrer Leistungsfähigkeit die primären Parameter beeinflussen. Weiterhin beschreiben nur wenige der unabhängigen Bewertungsparameter die Brennstoffzelle auf Systemebene und unabhängig von der konkreten technischen Umsetzung. Letztlich ist für einige Bewertungsparameter der heutige technische Leistungsstand bereits ausreichend für eine Marktetablierung und damit unkritisch. Der Untersuchungsbereich der Studie ist somit auf vier unabhängige Bewertungsparameter auf Systemebene fokussiert, die hinsichtlich ihrer aktuellen Leistungsfähigkeit als kritisch einzuschätzen sind. Unter Berücksichtigung der ermittelten aktuellen Leistungsfähigkeit werden der Wirkungsgrad, die spezifische Leistung, die Leistungsdichte und die Lebensdauer als kritische Schlüsselfaktoren für Brennstoffzellensysteme in Fahrzeugen in der Delphi-Befragung berücksichtigt. Tabelle 3 zeigt eine Übersicht der relevanten Leistungsparameter eines Brennstoffzellensystems im Fahrzeug.

Tab. 3: Leistungsparameter von Brennstoffzellen und Entwicklungsziele

Parameter

Beschreibung

Zielwert

Definiert durch

Wirkungs-
grad

Verhältnis aus nutzbarer Energie zu Energie des Brennstoffs

60 %

Konkurrenztechnologie / institutionell

Leistungs-dichte

Verhältnis aus Leistung des Systems und Bauvolumen

0,85 kW/l

institutionell

Spezifische Leistung

Verhältnis aus Leistung des Systems und Systemgewicht

0,65 kW/kg

Konkurrenztechnologie / institutionell

Lebens-
dauer

Betriebsstunden bis zu definiertem Leistungs-verlust des Systems

5.000 h

institutionell

Die Ausgestaltung der inhaltlichen Fragen setzt ein fundiertes Verständnis der technologischen Funktionsweise und der Abhängigkeiten der Parameter des Brennstoffzellensystems sowie eine extensive Recherche des möglichen Wertebereichs der Parameter voraus. Die Fragebögen werden dann derart gestaltet, dass geeignete Kombinationen von vorgegebenen und offenen Antwortmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, um einen konditionierenden Einfluss auf die Teilnehmer minimal zu halten.

Abbildung 2 zeigt das Fragenlayout zur aktuellen und zukünftig erwarteten Leistungsfähigkeit der vier behandelten technischen Parameter. Die Experten haben die Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit des Parameters nach dem heutigen Stand der Technik und für die Jahre 2020 und 2030 anhand von Wertebereichen einzuschätzen. Zur Vermeidung einer Einschränkung der Teilnehmer in den Antwortmöglichkeiten dienen die offenen Eingabefelder am Anfang und Ende der Antwortskala. Teilnehmer, deren Meinung nicht mit dem vorgegebenen Wertebereich übereinstimmt, können freie Werte angeben.

Abb. 2: Erhebung der quantitativen Leistungsfähigkeit der betrachteten Systemparameter

Die Abfrage der Begründungen für eine mögliche Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Systemparameter dient zum einen als Möglichkeit zur Qualitätskontrolle und zum anderen als zweites Untersuchungsfeld der Studie zur Analyse der relevanten technologischen Forschungsfelder für eine Verbesserung von Brennstoffzellensystemen in Automobilen.

In einem dritten Untersuchungsfeld wird der Einfluss der technischen Leistungsparameter auf die Marktreife der Brennstoffzelle abgefragt (vgl. Abbildung 3). Die Bewertung der technischen Einflussfaktoren des Brennstoffzellensystems erfolgt durch die Zuordnung des jeweiligen Faktors zu einem Quadranten der Bewertungsmatrix, die durch die Dimensionen des Entwicklungsstandes des Parameters und der Relevanz für eine erfolgreiche Markteinführung von FCEV aufgespannt wird (Portfoliobewertung). Das Portfolio zeigt im Quadranten III Parameter, die nach Expertenmeinung die höchste F&E-Kritikalität, d. h. den höchsten Forschungs- und Entwicklungsdruck, für eine Markteinführung aufweisen.

Abb. 3: Portfoliobewertung technischer Einflussfaktoren

4.3. Teilnehmerstruktur

In der Auslegung der Stichprobe der Befragten wird die Auswahl der Adressaten nach verschiedenen Kriterien festgelegt. Als Experten sollten die Teilnehmer über Fachwissen, Überblickswissen in Nachbardisziplinen und Kommunikationsbereitschaft verfügen, wobei die Stichprobe keine Repräsentativität im statistischen Sinne bezweckt (Steinmüller 1997). Die ausreichende Heterogenität der Stichprobe wird durch die Berücksichtigung von Experten aus fünf verschiedenen Interessengruppen sichergestellt: Universitäten und Forschungsinstitute repräsentieren den Bereich der akademischen Forschung. Hersteller (OEM) von mit Wasserstoff betriebenen Kraftfahrzeugen können aufgrund ihres hohen Praxisbezugs den Antriebsstrang in der automobilen Applikation bewerten. Zulieferer von automobilen Brennstoffzellensystemen besitzen ein hohes komponentenbezogenes Wissen. Wasserstoffverbände und -vereinigungen bilden Dachorganisationen, die sich für den Einsatz von Wasserstoff als Energieträger einsetzen, ihren Mitgliedern aber auch den Wissens- und Informationsaustausch über alle Aspekte der Nutzung von Wasserstoff ermöglichen. Regularien, Gesetze und Förderprogramme werden von politischen Organisationen festgelegt, die damit auch Marktvorbereitungsprogramme für Produkte und Anwendungen aus dem Technologiefeld Wasserstoff koordinieren und steuern.

Insgesamt wurden innerhalb der definierten Expertengruppen 200 Experten aus 20 Ländern identifiziert und zur Teilnahme an der Delphi-Studie eingeladen. Unter anderem waren dies hochkarätige Referenten bei Wasserstoffkonferenzen, Projekt- und Abteilungsleiter bei OEM und Zulieferer mit Bezug zu FCEV sowie Autoren von Fachpublikationen.

Abbildung 4 zeigt die Verteilung des institutionellen Hintergrunds der Experten der Delphi-Befragung und die Stichprobenumfänge der einzelnen Befragungsrunden. Die Verteilung des institutionellen Hintergrunds der Experten in der ersten und zweiten Befragungsrunde der Delphi-Studie basiert aufgrund der Anonymität der Befragung auf eigenen Angaben der Teilnehmer. Die Rücklaufquote der ersten Befragungsrunde liegt im Erwartungsbereich kalt akquirierter Befragungen von ca. 10 %, die aufgrund fehlender direkter Zugriffsmöglichkeiten auf mögliche Teilnehmer eher gering ausfällt. Vor allem für die zweite und mögliche folgende Befragungsrunde(n) stellt der fehlende direkte Teilnehmerzugriff eine Herausforderung dar und ist im Anwendungsfall ein wesentlicher Grund für den Verzicht auf weitere Befragungsrunden. Der reduzierten Teilnehmerzahl der zweiten Befragungsrunde der durchgeführten Delphi-Studie wird hinsichtlich der angestrebten Ergebnisqualität Rechnung getragen, indem die zweite Befragungsrunde ausschließlich zur Validierung von in der ersten Runde erhobenen Daten und der Erreichung einer stabilen Gruppenmeinung (unter möglicher Beibehaltung einzelner Extrempositionen), nicht aber zur Erhebung neuer Daten genutzt wird.

Abb. 4: Institutioneller Hintergrund angefragter und teilnehmender Experten

Durch die geringe Teilnehmeranzahl in der zweiten Befragungsrunde der durchgeführten Erhebung reduziert sich der definitorische Unterschied zwischen einer Delphi-Befragung und einer konventionellen Expertenbefragung. Die Nutzung der aggregierten, aufbereiteten Ergebnisse zur Rückübertragung an die Teilnehmer und anschließende Erzielung einer stabilen Gruppenmeinung nach Rückspiegelung der Expertenmeinungen an alle Teilnehmer differenziert die durchgeführte Informationsgenerierung jedoch von konventionellen Expertenbefragungen. Die durchgeführte zweite Befragungsrunde ermöglicht im Vergleich zu konventionellen Expertenbefragungen trotz der geringen Teilnehmerzahl und der geringen statistischen Belastbarkeit hochwertigere und weitreichendere Ergebnisse. Somit ist die Benennung der durchgeführten Befragung als Delphi-Studie valide, zumal wesentliche Charakteristika der Delphi-Methode wie die Beurteilung des Sachverhaltes durch die Teilnehmer unter Einfluss der Meinungen der übrigen Experten erfüllt sind (Cuhls 2009).

4.4. Ergebnisse der Delphi-Studie zum Einsatz von Brennstoffzellen im Kraftfahrzeug

Für den Schlüsselparameter Systemwirkungsgrad wird von den Experten im Mittel ein Wirkungsgrad von 56 % im Jahr 2020 und 59 % im Jahr 2030 vorhergesagt und somit eine Steigerung der Leistungsfähigkeit im Vergleich zum heutigen Stand der Technik erwartet (vgl. Abbildung 5). Der mit 60 % definierte Zielwert des Systemwirkungsgrades wird der Experteneinschätzung folgend bis 2030 nicht erreicht. Die Streuung der erwarteten Werte weist jedoch auf eine Prognoseunsicherheit und auf unterschiedliche Sichtweisen der Experten hin. Einen Erklärungsansatz für die variierenden Einschätzungen des Wirkungsgrades durch die Experten und somit die Ergebnisstreuung können die Betriebsbedingungen bzw. der angenommene Hybridisierungsgrad des FCEV bieten: Die Lastprofile sind abhängig vom Hybridisierungsgrad, je größer dieser ausfällt, desto stationärer kann die Brennstoffzelle im Bereich des höchsten Wirkungsgrades betrieben werden, der Systemwirkungsgrad steigt. Dieser Ansatz kann die divergierenden Experteneinschätzungen des maximalen Wirkungsgrades aktueller Brennstoffzellensysteme erklären, die zwischen 45 % und 62 % streuen. Einzelne Experten erwarteten einen Wirkungsgrad von Brennstoffzellensystemen von bis zu 70 % bis zum Jahr 2030. Konkret wird die Abweichung vom 75 % Quartil jedoch nur von zwei Experten verursacht. Während ein Experte 65 % als maximalen Wirkungsgrad ansieht, erwartet ein anderer Teilnehmer 70 %. Dieser vom Median deutlich abweichende Extremwert wird in der zweiten Befragungsrunde reflektiert und von 88 % der Teilnehmer als unrealistisch eingeschätzt.

Abbildung 5: Experteneinschätzung der zukünftigen Entwicklung der Schlüsselparameter

Die Lebensdauer aktueller Brennstoffzellensysteme beträgt gemäß Experteneinschätzung zwischen 1.000 und 5.000 Stunden. Ein Vergleich dieser Ergebnisse mit der im Vorfeld der Studie durchgeführten Datenrecherche zeigt, dass somit die Einschätzungen einiger Experten hinsichtlich der Lebensdauer unter dem heute erreichbaren Leistungsniveau von Brennstoffzellensystemen liegen. Der institutionell definierte Zielwert von 5.000 Stunden wird gemäß der Delphi-Studie ungefähr ab dem Jahr 2020 erreicht. Für das Jahr 2030 streuen die Antworten der Experten in einem großen Wertebereich von 3.500 bis 40.000 Stunden. Der WLTP (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure) wird voraussichtlich 2017 den heutigen Zyklus zur normierten Ermittlung des Kraftstoffverbrauchs von Neufahrzeugen in der EU ersetzen. Im Fahrprofil des WLTP entsprechen 5.000 Betriebsstunden einer Fahrleistung von 232.500 Kilometer, die von einzelnen Experten erwarteten 40.000 Stunden hingegen etwa 1,86 Millionen Kilometer, was die Auslegungsgröße von automobilen Antriebssystemen um ein Vielfaches übersteigt. In der zweiten Befragungsrunde wird aus diesem Grund dieser Höchstwert von der Mehrheit der Teilnehmer als nicht realistisch für ein Brennstoffzellenfahrzeug bewertet. Ein Erklärungsansatz für die Streuung der Ergebnisse oberhalb und unterhalb des Median (und damit für die Nennung einer Lebensdauer unterhalb des heutigen Leistungsstandes) bietet das Ermittlungsverfahren der Lebensdauer. Die maximale Lebensdauer eines Brennstoffzellensystems kann im Labor oder im Feldversuch ermittelt werden. Im Labor sind Lastprofile, Gasflussraten, Befeuchtungslevel sowie Temperatur und Qualität der Reaktionsgase Wasserstoff und Umgebungsluft genau kontrollierbar. Im Feldversuch variieren z. B. die benutzerspezifischen Lastprofile, die Temperatur und die Luftqualität. Die im Labor ermittelte Lebensdauer von Brennstoffzellensystemen ist aus diesem Grund auch beim Test mit zyklischen Lastprofilen höher als die in der Praxis realisierbare Haltbarkeit.

Die teilnehmenden Experten der Delphi-Studie bewerten die maximale Leistungsdichte eines aktuellen PEM-Brennstoffzellensystems in einer automobilen Anwendung zwischen 0,4 kW/l und 2,6 kW/l. Die große und für die zukünftigen Referenzzeitpunkte 2020 und 2030 weiter zunehmende Streuung der Ergebnisse und die großen Wertebereiche von unterem und oberem Quartil weisen auf eine hohe Prognoseunsicherheit der Experten hin. Mittelwert und Median zeigen eine positive Entwicklung bis 2030. Die Mehrheit der Experten erwartet eine geringere Leistungsdichte als 4 kW/l bis 2030, ein einzelner Experte erwartet eine Leistungsdichte von 6 kW/l. Dies wird von den Teilnehmern der zweiten Runde mehrheitlich als nicht realistisch eingeschätzt, sodass in der finalen Einschätzung der zukünftigen Leistungsfähigkeit eine Vernachlässigung der extremen, aber offensichtlich nicht realistischen Parameterquantifizierung eine realistischere Systembewertung zulässt. Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse eine sehr optimistische Bewertung der Entwicklung des Parameters Leistungsdichte, die Leistungsfähigkeit wird bis 2020 als ausreichend für eine erfolgreiche Markteinführung von FCEV von den Experten angenommen.

Aktuelle Brennstoffzellensysteme erreichen laut teilnehmenden Experten eine spezifische Leistung von 0,4 bis 1,4 kW/kg. Oberes und unteres Quartil decken nur kleine Wertebereiche ab, die weite Streuung der Ergebnisse ist somit auf die Antworten weniger Experten zurückzuführen. Die Zunahme der Streuung weist hingegen erneut auf eine Prognoseunsicherheit einzelner Teilnehmer hin. Für das Jahr 2030 zeigen die Antworten eine sehr große Spannweite und der von einem Experten maximale erwartete Wert liegt mit 5 kW/kg um den Faktor 8 über dem angegebenen Minimum. Alle Teilnehmer der zweiten Befragungsrunde halten diesen maximalen Wert der spezifischen Leistung für unerreichbar in einem FCEV. Die singulär bedingte breite Streuung und die Reflexion der Ergebnisse in der zweiten Befragungsrunde lassen in der finalen Einschätzung der zukünftigen spezifischen Leistung unter Vernachlässigung der einzelnen extremen Parametereinschätzung eine realistischere Systembewertung zu.

Neben der Einschätzung der zukünftigen Entwicklung der definierten Leistungsparameter beurteilt die Delphi-Studie technische Einflussfaktoren auf die Marktreife der Brennstoffzelle mittels eines portfoliobasierten Bewertungsansatzes. Die Experten bewerten die Parameter Lebensdauer, Leistungsdichte sowie spezifische Leistung mehrheitlich als kritische Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Marktetablierung von FCEV und ordnen diesen den höchsten Forschungs- und Entwicklungsdruck zu (vgl. Abbildung 6). Eine ausreichende Leistungsfähigkeit der Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Markteinführung von FCEV wird von der Mehrheit der Experten bis zum Jahr 2020 erwartet.

Abb. 6: Portfoliobewertung der Leistungsparameter von FCEV [n=19]

5. Erkenntnisse

5.1. Erkenntnisse zur Stichprobe und Ergebnisvalidität

Die Zusammensetzung und der Umfang der Stichprobe stellen wichtige Einflussfaktoren auf der Qualität der Studienergebnisse dar. Der Umfang der Stichprobe wird durch das Verhältnis der tatsächlichen Teilnehmer zu den eingeladenen Experten determiniert. Die Anzahl der eingeladenen Experten sollte deshalb insbesondere bei kalt akquirierten Delphi-Studien hoch sein, ohne bei der Auswahl potenzieller Teilnehmer die Qualität der Experten zu vernachlässigen. Dabei kann die Zahl der Teilnehmer durch Anreize erhöht werden. In der im vorliegenden Artikel beschriebenen onlinebasierten Delphi-Studie lag die Teilnehmerquote bei ca. 11 %, als Teilnahmeanreiz wurde die Bereitstellung der ausgewerteten Studienergebnisse genutzt.

Der im Vergleich zu anderen quantitativen Befragungsmethoden wie der quantitativen Marktforschung geringere Stichprobenumfang führt zu einem signifikanten Einfluss einzelner extremer Antworten auf das Gesamtergebnis. Eine Möglichkeit zur Analyse dieses Einflusses ist die Auswertung sowohl des Mittelwertes als auch des Median und des unteren und oberen Quartils der quantitativ erhobenen Datenpunkte. Während der Mittelwert aufgrund einzelner Ausreißer stark verzerrt werden kann, bietet der Median durch die Abbildung des 50 % Quartils eine hohe Robustheit gegenüber extremen quantitativen Einschätzungen einzelner Teilnehmer.

Bei der durchgeführten Delphi-Studie mit einer deutlich reduzierten Grundgesamtheit der Teilnehmer an der zweiten Befragungsrunde ist die Validierung der Ergebnisse der ersten Runde stark von den spezifischen Teilnehmern abhängig. Nehmen beispielsweise gerade diejenigen Experten mit extremen, teilweise sogar technisch widerlegbaren Meinungen auch in der zweiten Befragungsrunde mit einer geringeren Teilnehmerzahl teil, so besteht das Risiko einer zusätzlichen Akzentuierung dieser Ergebnisse. Im entgegengesetzten Fall nehmen Vertreter von Extrempositionen nicht an der zweiten Befragungsrunden teil, sodass keine Möglichkeit besteht, von diesen Experten weitere Gründe für ihre Einschätzung abzufragen. In diesem Fall werden extreme Meinungen in der zweiten Befragungsrunde konsensorientiert ausgeschlossen. Konkret wurde die zukünftige technologische Leistungsfähigkeit mit Ausnahme eines Teilnehmers von allen Teilnehmern der zweiten Befragungsrunde vergleichbar eingeschätzt und damit die mehrheitliche Meinung der ersten Befragungsrunde bestätigt. Die durch einen Teilnehmer auch in der zweiten Befragungsrunde vertretene (und von den anderen Teilnehmern als unrealistisch eingeschätzte) Extremmeinung konnte aufgrund der technischen Limitation des Brennstoffzellensystems ausgeschlossen werden. Generell wurde damit bewusst keine Häufigkeitsverteilung zwischen vorgegebenen Antwortalternativen angestrebt, sondern die Benennung eines spezifischen Erwartungswertes, welcher durch statistische Analysen (z. B. Median) ermittelt werden kann und Extremmeinungen adäquat, aber nicht überhöht berücksichtigt.

In der durchgeführten Delphi-Befragung war den Teilnehmern die Teilnahme an der zweiten Befragungsrunde freigestellt, die Bereitschaft zur Teilnahme wurde entsprechend abgefragt. Mittels der in der ersten Befragungsrunde erhobenen Daten ist somit nachvollziehbar, welche der Experten den Fragebogen der zweiten Befragungsrunde erhalten haben. Rückschlüsse auf eine tatsächlich erfolgte Teilnahme oder auf abgegebene Antworten sind jedoch nicht möglich, da einerseits die Teilnehmerquote der zweiten Befragungsrunde kleiner als 100 % ist und andererseits persönliche Daten und fachliche Antworten anonymitätsbedingt getrennt gespeichert werden. Es ist somit aufgrund der Anonymität der Befragung nicht prüfbar, welche der eingeladenen Erstrundenteilnehmer auch in der zweiten Runde teilgenommen haben. In der durchgeführten Studie wurde die zweite Befragungsrunde entsprechend vornehmlich für die Diskussion extremer Antworten und die Bewertung von Ergebnissen aus Freitextfeldern durch die Experten genutzt.

Zusätzlich zur Anzahl der teilnehmenden Experten spielen deren Kompetenzniveau und eine heterogene Tätigkeitsstruktur eine wichtige Rolle in der Gewährleistung hochwertiger Studienergebnisse. Zwar ermöglicht die Abfrage von Tätigkeitsfeldern, institutionellem Hintergrund oder Berufserfahrung die Einschätzung des tatsächlichen Kompetenzniveaus, trotzdem liegen die Erwartungswerte einiger teilnehmenden Experten trotz einer sorgfältigen Fragenformulierung außerhalb des durch technologische Grenzen als realistisch determinierten Wertebereichs. Dies bestätigt insbesondere bei sehr spezifischen Fragestellungen den Bedarf einer Ergebnisreflexion nicht nur durch die teilnehmenden Experten, sondern auch durch den Studiendurchführenden.

5.2. Erkenntnisse zur Definition der Rahmenbedingungen

Für die Generierung valider Ergebnisse ist es in der Konzeptionierungsphase quantitativer Studien essenziell, die genaue und eindeutige Definition und die Rahmenbedingungen der zu bewertenden Parameter festzulegen. Besonders im Bereich von technologischen Parametern hat die Definition einen großen Einfluss auf die Experteneinschätzung.

Im Kontext der durchgeführten Studie kann beispielsweise eine nicht eindeutige Abgrenzung der Systemgrenzen des Brennstoffzellensystems zu deutlichen Abweichungen der Einschätzungen einzelner Leistungsparameter führen. Beispielsweise unterscheidet sich die Leistungsdichte eines Brennstoffzellenstacks aktuell etwa um das vier- bis fünffache von der Leistungsdichte eines Brennstoffzellensystems, welches die notwendigen Nebenaggregate zum Betrieb der Brennstoffzelle in die Bewertung einbezieht. Eine fehlende bzw. nicht ausreichende Abgrenzung des Anwendungsfalles und der weiteren Rahmenbedingungen kann folglich zu fehlerhaften Ergebnissen führen.

5.3. Erkenntnisse zum Fragenlayout

Bei der Konzeptionierung des genauen Fragenlayouts ist die Vermeidung einer Beeinflussung der Experten für die Sicherstellung valider Ergebnisse wichtig. Die vorliegende Studie gibt den Experten für die einzelnen Parameter Antwortmöglichkeiten vor. Offene Eingabefelder ermöglichen jedoch abweichende Meinungen. Die durchgeführte Studie zeigt, dass diese durchaus umfangreich genutzt werden. Im Durchschnitt weichen bei jeder parameterquantifizierenden Frage ca. 15 % der Teilnehmer von den vorgegebenen Skalen ab und nutzen für die Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Parameter ein offenes Eingabefeld.

Neben der Gefahr einer direkten Beeinflussung der Experten durch das Fragenlayout besteht die Möglichkeit einer indirekten Konditionierung der Befragten durch äußere Einflüsse. Das Energieministerium (DOE) der USA hat in Zusammenarbeit mit der Industrie Zielwerte für die Leistungsfähigkeit der Brennstoffzellensystemparameter festgelegt und veröffentlicht. Die Ergebnisse der Delphi-Studie zeigen, dass einige der befragten Experten die eigene Erwartung der Entwicklung der Leistungsparameter eng an diese Zielwerte anpassen und somit unter Umständen eine indirekte Konditionierung der Experten vorliegt. Eine solche indirekte Konditionierung kann jedoch weder bestimmt nachgewiesen noch verhindert werden. Eine Expertenbefragung zur Erhebung quantitativer Daten sollte folglich nicht ohne eine Analyse möglicher indirekter Konditionierungseinflüsse und deren Beachtung bei der Ergebnisvalidierung und -interpretation durchgeführt werden.

6. Literaturverzeichnis

Amara, R. & Lipinski, A. (1972). Some views on the Use of Expert Judgement. Technological Forecasting and Social Change, 3, 279–289.

Bolger, F. & Wright, G. (2011). Improving the Delphi process: Lessons from social psychological research. Technological Forecasting and Social Change, 78, 1500–1513.

Bolger, F., Stranien, A., Wright, G. & Yearwood, J. (2011). Does the Delphi process lead to increased accuracy in group-based judgmental forecasts or does it simply induce consensus amongst judgmental forecasters? Technological Forecasting and Social Change, 78, 1671–1680.

Celiktas, M. S. & Kocar, G. (2009). Hydrogen is not an utopia for Turkey. International Journal of Hydrogen Energy, 35, 9–18.

Chang, P.-L., Hsu, C.-W. & Chang, P.-C. (2011). Fuzzy Delphi method for evaluating hydrogen production technologies. International Journal of Hydrogen Energy, 36, 14172–14179.

Chen, Y., Chen, C.-Y. & Lee, S.-C. (2010). Technology forecasting of new clean energy: The example of hydrogen energy and fuel cell. Tainan City: Department of Resources Engineering, National Cheng Kung University.

Cuhls, K. (2009). Delphi-Befragungen in der Zukunftsforschung. In R. Popp & E. Schüll (Hrsg.). Zukunftsforschung und Zukunftsgestaltung (S. 207–222). Berlin: Springer.

Eichlseder, H. & Kell, M. (2012). Wasserstoff in der Fahrzeugtechnik. Wiesbaden: Vieweg+Teubner Verlag.

Europäische Union (2014). VERORDNUNG (EU) Nr. 333/2014 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 11. März 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 443/2009 hinsichtlich der Festlegung der Modalitäten für das Erreichen des Ziels für 2020 zur Verringerung der CO2-Emissionen neuer Personenkraftwagen. Brüssel: Europäische Union.

Garche, J., Dyer, C., Moseley, P. & Ogumi, Z. (2013). Encyclopedia of Electrochemical Power Sources, Batteries and Fuel Cells. Amsterdam: Elsevier.

Geist, M. R. (2010). Using the Delphi method to engage stakeholders: A comparison of two studies. Evaluation and Program Planning, 33, 147–154.

Geschka, H. (1977). Delphi. In G. Bruckmann (Hrsg.). Langfristige Prognosen (S. 27–44). Würzburg: Physica-Verlag.

Geschka H. (1995). Methoden der Technologiefrühaufklärung und der Technologievorhersage. In E. Zahn (Hrsg.). Handbuch Technologiemanagement (S. 623–644). Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag.

Gnatzy, T., Warth, J., von der Gracht, H. & Darkow, I.-L. (2011). Validating an innovative real-time Delphi approach – A methodological comparison between real-time and conventional Delphi studies. Technological Forecasting & Social Change, 78, 1681–1694.

Gordon, T. J. & Helmer, O. (1964). Report on a Long-Range Forecasting Study. Santa Monica: Rand Corporation.

Gordon, T. J. (1994). Integration of Forecasting Methods and the Frontiers of Futures Research. Washington, D.C.: AC/UNU Millennium Project.

Gordon, T. & Pease, A. (2006). RT Delphi: An efficient, “round-less” almost real time Delphi method. Technological Forecasting & Social Change, 73, 321–333.

Gordon, T. J. (2009a). The Real-Time Delphi Method. In: J. C. Glenn & T. J. Gordon (Hrsg.). Futures Research Methodology Version 3.0 (Chapter 5). Washington, D.C.: AC/UNU Millennium Project.

Gordon, T. J. (2009b). The Delphi Method. In: J. C. Glenn & T. J. Gordon (Hrsg.). Futures Research Methodology Version 3.0 (Chapter 3). Washington, D.C.: AC/UNU Millennium Project.

Häder, M. (2009). Delphi-Befragungen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Hart, D., Anghel, A. T., Huijsmans, J. & Vuille, F. (2009). A quasi-Delphi study on technological barriers to the uptake of hydrogen as a fuel for transport applications – Production, storage and fuel cell drivetrain considerations. Journal of Power Sources. 193, 298–307.

Hasson, F. & Keeney, S. (2011). Enhancing rigour in the Delphi technique research. Technological Forecasting & Social Change. 78, 1695–1704.

Heinzel, A., Mahlendorf, F. & Roes, J. (2006). Brennstoffzellen, Entwicklung, Technologie, Anwendung. Heidelberg: C.F. Müller Verlag.

International Energy Agency (2013). World Energy Outlook 2013. Paris: OECD/IEA.

Kreibich, R. (2006). Zukunftsforschung. Berlin: IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung.

Kwon, Y.-I. (2011). Technological Trends Analysis of Fuel Cell Electric Vehicle using Patent Information. Seoul: Korea Institute of Science and Technology Information.

Landeta, J. (2006). Current validity of the Delphi method in social science. Technological Forecasting & Social Change. 73, 467–482.

Landeta, J., Barrutia, J. & Lertxundi, A. (2011). Hybrid Delphi: A methodology to facilitate contribution from experts in professional contexts. Technological Forecasting & Social Change. 78, 1629–1641.

Linstone, H. & Turoff, M. (1975). The Delphi Method: Techniques and applications. Reading: Addison-Wesley.

Loo, R. (2002). The Delphi method: a powerful tool for strategic management. Policing: An International Journal of Police Strategies and Management. 25, 4, 762–769.

Nowack, M., Endrikat, J. & Guenther, E. (2011). Review of Delphi-based scenario studies: Quality and design considerations. Technological Forecasting & Social Change. 78, 1603–1615.

Okoli, C. & Pawlowski, S. D. (2004). The Delphi method as a research tool: an example, design considerations and applications. Information & Management. 42, 15–29.

Sackman, H. (1975). Delphi Critique. Lexington: Lexington Books.

Scapolo, F. & Miles, I. (2006). Eliciting experts’ knowledge: A comparison of two methods. Technological Forecasting & Social Change. 73, 697–704.

Scheibe, M., Skutsch, M. & Schofer, J. (2002). Experiments in Delphi Methodology. In H. A. Linstone & M. Turoff (Hrsg.). Experiments in Delphi Methodology (S. 257–281). Reading: Addison-Wesley.

Schulz, M. & Renn, O. (2009). Das Gruppendelphi. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Steinmüller, K.-H. (1997). Grundlagen und Methoden der Zukunftsforschung. Gelsenkirchen: Sekretariat für Zukunftsforschung.

Stevenson, V. (2012). Sustainable Hydrogen Delphi Survey Round 2 – Participant Report. Cardiff: Low Carbon Research Institute, Cardiff University.

Suominen, A., Tuominen, A. & Kantola, J. (2011). Analyzing prospects of portable fuel cells with an expert opinion study. Futures, 43, 513–524.

UNIDO (2005). UNIDO Technology Foresight Manual – Volume 1: Organization and Methods. Wien: United Nations Industrial Development Organization.

Vorgrimler, D. & Wübben, D. (2003). Die Delphi-Methode und ihre Eignung als Prognoseinstrument. Wirtschaft und Statistik, 8, 763–774.

Woudenberg, F. (1991). An Evaluation of Delphi. Technological Forecasting and Social Change, 40. 131–150.

Markus Thoennes: Dipl.-Ing., Markus Thoennes ist Senior Engineer im Bereich Strategie und Beratung der fka Forschungsgesellschaft Kraftfahrwesen mbH Aachen. Er entwickelt Prozesse und Methoden für Markt- und Technologieprognosen, erstellt diese Prognosen und führt Trend- und Portfolioanalysen im Bereich Automotive durch.

Steinbachstraße 7, 52074 Aachen, Tel.: +49 (0)241-8861-144, E-Mail: thoennes@fka.de

Alexander Busse: Alexander Busse, M.Sc., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Strategie und Beratung am Institut für Kraftfahrzeuge der RWTH Aachen University. Er entwickelt und erstellt Technologieprognosen sowie Trend- und Portfolioanalysen im Bereich alternativer Fahrzeugantriebe.

Steinbachstraße 7, 52074 Aachen, Tel.: +49 (0)241-80-25586, E-Mail: busse@ika.rwth-aachen.de

Volltext

Lizenz

Jedermann darf dieses Werk unter den Bedingungen der Digital Peer Publishing Lizenz elektronisch über­mitteln und zum Download bereit­stellen. Der Lizenztext ist im Internet unter der Adresse http://www.dipp.nrw.de/lizenzen/dppl/dppl/DPPL_v2_de_06-2004.html abrufbar.